Zukunft der Innenstädte und Ortsmitten

Der Donut-Effekt bezeichnet ein eher trauriges Phänomen der Stadtplanung. In der Mitte droht vielen Städten seit Jahren die Verödung — ein Loch entsteht, während die Ringe drum herum noch prall gefüllt sind. Fotos: Martin Rahner

Mit frischen Ideen gegen den Donut Effekt

Innenstädte und Orts(teil)mitten stehen vor einem Strukturwandel. Wie könnten sie sich zukunftsfähig und nachhaltig entwickeln? Mehr als 200 Studierende der Hochschule Darmstadt haben hierzu Ideen und Konzepte für Darmstadt und umliegende kleinere Städte und Gemeinden wie Michelstadt und Fischbachtal entworfen.

Für die Ausstellung »Der Donut-Effekt – Zur Zukunft von Innenstädten und Orts(teil)mitten« haben sich Studierende aus den Studiengängen Architektur, Bau- und Umweltingenieurwesen sowie der Wirtschaft Gedanken zu den Gestaltungen neuer Mitten gemacht. In insgesamt mehr als 40 Arbeiten beschäftigen sie sich mit Themen wie Klimaanpassung, Stadt der kurzen Wege, Einkaufen, Wohnen und Freizeit, der Gestaltung des öffentlichen Raums sowie alternativer Mobilität. Ihr Ziel ist es, neue Impulse für eine nachhaltige Stadtentwicklung zu geben und den Austausch mit kommunalen Akteurinnen und Akteuren anzustoßen. In den Entwürfen der Studierenden Innenstädte und Orts(teil)mitten räumlich neu strukturiert, so dass hier künftig auch Platz sein kann für Kurzzeitwohnen oder neue Arbeitsformen.

Die Studentin Ilona Berger stellte sich die Frage: Was passiert mit den Warenhäusern in unseren Innenstädten, wenn diese Gattung ausstirbt? In der Darmstädter City gibt es gleich zwei Kaufhäuser, die kurzfristig gerettet werden konnten, aber langfristig zur Disposition stehen.
Beim Kaufhof handelt es sich um ein Gebäude, das sehr prominent am Ernst-Ludwigplatz mit Blick auf das Schloss gelegen ist. Welche neuen Funktionen kann man sich hier vorstellen? Wie geht man räumlich mit dem Komplex um? Sie hat das Gebäude „aufgeschnitten“ und eine Passage geschaffen, welche die Höfe des Nachbarkomplexes erschließt. Durch die neue Passage werden die Gebäudetiefen so verjüngt, dass die Belichtung leichter wird. Hier entstehen neue Fassaden, das Innenleben wird sichtbar gemacht. Sie schlägt ein Mix unterschiedlicher Funktionen vor. Im Untergeschoss entsteht ein Museum für Raumfahrt mit dem sich die ESOC in der Innenstadt präsentiert. Im Erdgeschoss wechseln sich Gastronomie mit öffentlichen Funktionen wie einer Bibliothek ab. In den Obergeschossen entsteht ein Hostel, eine Nutzung, die angesichts der Erklärung der Mathildenhöhe zum Weltkulturerbe und zu erwartender neuer Touristen, gut nachvollziehbar ist.

Für Darmstadts Mitte steht das Luisencenter

Für Martina Velmeden ist das Luisencenter ein „Schmerzpunkt“ in der Darmstädter City. Sie findet, dass der Block autistisch im Stadtgrundriss liegt und wenig Bezug zum Kontext aufbaut. Die langen Fassaden sind von teils leeren Schaufenstern und unterschiedlichen geschlossenen Fassadenelementen geprägt. Deshalb bricht sie den Komplex in drei Gebäudeteil auf, die eine gewissen Eigenständigkeit entwickeln. Die neue Fassade ist durch eine Arkade geprägt, die den Stadtraum mit dem Innenraum verbinden. Große Glasflächen erlauben den visuellen Übergang von innen nach außen. Hier wird Gastronomie untergebracht, die Leben in den Straßenraum trägt. Während das Erdgeschoss dem Konsum vorbehalten bleibt, rücken Arbeiten und Kurzzeitwohnen in die Obergeschosse. Ein zentrales Atrium, das in den Baukörper geschnitten wird, bringt nicht nur Licht, sondern verbindet die unterschiedlichen Ebenen mit den verschiedenen Raumprogrammen.

Zugleich begrünt Marie Radiotic die zum Luisenplatz ausgerichtete Fassade und findet auch für innen Möglichkeiten der Bepflanzung. Auf diese Weise könnte das Luisencenter eine kleine Klima-Oase in der Hitzeinsel Innenstadt sein, die dem Gebäude zudem eine angenehmere Anmutung gibt. Und im Herzen der Stadt, das dem Luisenplatz ein gänzlich neues Feeling gibt.

„Viele Städte und Gemeinden haben erkannt, dass gesellschaftliche und klimatische Entwicklungen ihre Innenstädte und Ortskerne verändern werden“, sagt Prof. Astrid Schmeing vom Fachbereich Architektur der h_da. „Alle Arbeiten stoßen Gedanken an und bieten neue Ideen, die im Idealfall von der Praxis aufgegriffen werden.

Text Hans-Werner Mayer