
Im Gespräch:
M-M: Wie geht es dem Ruheständler, der von 1991 bis 2009 Landrat des Odenwaldkreises war?
Aus der aktiven Politik habe ich mich Anfang des Jahres 2019 zurückgezogen und mein Kreistagsmandat niedergelegt. Durch ehrenamtliche Verpflichtungen, Begegnungen mit Wegbegleitern und Freunden sowie Vorträgen und Recherchen zu meinen Büchern wird es mir nicht langweilig. Dankbar bin ich für die größer gewordene Zeit, die ich mit meiner Familie verbringen kann und die mir viel Kraft für den Alltag gibt.
M-M: Den Odenwaldkreis als Stimme im Chor der 21 hessischen Landkreise bekannter zu machen, war Ihnen eine Herzensangelegenheit. Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?
Ja, wir haben mit zahlreichen Initiativen – z.B. Kartoffel- und Lammwoche, Bauernmarkt und bundesweit beachteter Breitbandverkabelung – das Bild unseres Kreises in der Öffentlichkeit geschärft. Ehemals im Wahrnehmungsschatten der Metropolregion RheinMain nimmt man uns heute als ländliche Region mit attraktiven Arbeits- und Lebensbedingungen wahr. Diese Entwicklung weiter voranzubringen und dabei unsere Natur und Umwelt auch für die nächsten Generationen zu erhalten und nachhaltig zu schützen, hat großer Priorität.
M-M: Worum sollte sich die Politik mit Blick auf den steigenden Wettbewerb der Regionen besonders kümmern?
Mir fehlt immer noch ein Akteur für gemeinsames Bewusstsein für Südhessen. Es ist kein öffentlicher Vorreiter in Sicht, der über seine spezifischen Einzelinteressen hinaus, die Gesamtregion Südhessen im Blick hat und hierfür überzeugend wirbt. Dies würde dazu beitragen, dass die Menschen den Mehrwert einer regionalen Identität erkennen können.
M-M: Wie könnte das konkret umgesetzt werden?
Die Erkenntnis, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile, sollte genutzt werden, um die Standortfaktoren zu identifizieren, die gegeben sein müssen, damit Produkte und Dienstleistungen, aber auch Kultur-, Bildungs- und Forschungsangebote mit hoher Qualität entstehen können. Wenn zur Geschichte des Odenwaldes die fehlende Autobahnanbindung gehört, dann darf uns dies nicht lähmen. Mit dem Schnellen Odenwälder haben wir den ÖPNV gestärkt und zu einer besseren Mobilität der Menschen im ländlichen Raum beigetragen. Dies gilt auch für das inzwischen auf 380 Kilometer ausgebaute Breitbandnetz, welches für den schnellen Datentransport und die Informationsvernetzung unerlässlich ist.

M-M: Schon früh haben Sie die Bedeutung von Daten im fortschreitenden Digitalisierungsprozess erkannt und hierfür die Infrastruktur verbessert. Gilt dies auch für den Gesundheitsbereich?
Aus meiner Sicht haben wir mit dem Ausbau und der Modernisierung des Erbacher Krankenhauses zum nachgefragten Gesundheitszentrum die richtigen Weichen zur professionellen medizinischen Versorgung der Bürgerinnen und Bürger gestellt. Das fachärztliche Know-how, eine effektive Verwaltung und die telemedizinische Vernetzung mit der Uniklinik Heidelberg gewährleisten eine hohe Qualität und zufriedene Patienten. Hier war politische Sensibilität ebenso gefragt, wie Phantasie und Weitsicht bei der Finanzierung der großen Investitionen. Ich bin überzeugt, dass im harten Wettbewerb um betriebswirtschaftliche Effizienz, ärztliche Leistungen und effektive Verwaltung unser Gesundheitszentrum sehr gut aufgestellt ist.
M-M: Die Interessen und die Themen des Odenwalds überregional zu vertreten, haben Sie mit Kopf, Herz und Hand betrieben. Worauf sind Sie besonders stolz?
Neben der Breitbandverkabelung, dem Schnellen Odenwälder und dem Gesundheitszentrum möchte ich beispielhaft Tourismus, Kooperation mit der TU-Darmstadt, Erhalt des Schlachthofs Brensbach, grenzüberschreitende Dreiländerzusammenarbeit und Unterstützung der Direktvermarkter durch das Gütesiegel ,Gutes aus Hessen‘ nennen. Für das Bestreben, Qualität und Innovation aus der Region gleichermaßen bekannter zu machen, sollte die Botschaft High Tech und High Snack aus unserer Region kommunikativ vernetzt und nachhaltig verbreitet werden. Hier kann noch viel Potential erschlossen werden.
M-M: Seit einem Jahr gibt es die Werbeplattform ,Made in Südhessen‘ mit der Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen präsentiert werden. Was halten Sie von dieser Initiative?
Sie war überfällig, um die beiden Herausforderungen Aufbau einer regionalen Dachmarke und Förderung einer regionalen Bewusstseinsentwicklung voranzubringen. Ich wünsche den Initiatoren weiterhin viel Erfolg und hoffe, dass Politik, Wirtschaft und Bevölkerung sich hierfür mehr einsetzen und ihre Kräfte bündeln.
Das Interview führten Reinhold Stämmler und Ulrich Diehl. / TEXT: Reinhold Stämmler