Wie viel bist du wert?

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Berufseinsteiger verkaufen sich oft unter Wert

Die erste Gehaltsverhandlung erfordert viel Mut, mindestens genauso sehr wie das erste Bewerbungsgespräch. Deshalb verkaufen sich Berufseinsteiger oft unter Wert. Wir erklären, wie Gehaltsverhandlungen gelingen – und wann man Verhandlungen besser abbrechen sollte.

„Welches Gehalt haben Sie sich denn vorgestellt?“ – diese Frage bereitet vielen Berufsanfängern Bauchschmerzen. Schließlich ist es nicht einfach, den eigenen Marktwert festzulegen. Sich deshalb mit dem Platz am untersten Ende der Gehaltskette zufriedengeben? Nein.

Wer wissen will, wie viel man fordern kann, benötigt möglichst viele Informationen über den neuen Job, den Arbeitgeber und die Branche. Eine wichtige Grundregel: Die eine, richtige Summe gibt es nicht. Stattdessen sollten Sie die branchenübliche Vergütungsstruktur kennen. Dazu benötigen Sie Informationen über Angestellte in ähnlichen Positionen. Tabellen für Einstiegsgehälter können einen ersten Überblick schaffen, zum Beispiel unter www.Lohnspiegel.de oder der Seite des Statistischen Bundesamts. Man sollte auch Freunde und Kommilitonen in ähnlichen Unternehmen oder aus derselben Branche fragen, wie viel sie verdienen. Auch wichtig ist die wirtschaftliche Lage der Firma, bei der man sich bewirbt, sowie die konkreten Aufgaben der angebotenen Stelle.

Es ist immer gut sich auf verschiedene Stellen zu bewerben und zuerst mit Unternehmen zu sprechen, in denen man nicht so gerne arbeiten möchte. Erhält man dort ein Angebot, kann man im Gespräch mit einem anderen Arbeitgeber selbstbewusst um ein ähnliches oder höheres Gehalt verhandeln – denn ein anderes Jobangebot verbessert jede Verhandlungsposition.

Berufsanfänger sollten allerdings besonders auf das Gehalt Wert legen. Ist der zukünftige Arbeitgeber am Anfang noch unsicher, weil er die Fähigkeiten eines Bewerbers nicht einschätzen kann, können sich beide während der Probezeit auf ein niedrigeres Gehalt einigen. Dann sollte allerdings vertraglich festgehalten werden, dass das Gehalt am Ende angehoben wird. Langfristig denken lohnt sich. Dabei lohnt es sich, immer im Hinterkopf zu behalten, dass es neben dem Gehalt noch weitere Vergütungsmöglichkeiten gibt. Wenn Sie bei Ihrer Wunschvorstellung Abstriche machen, kann Ihnen das Unternehmen im Gegenzug mehr Urlaubstage anbieten, Zuschüsse zu den Fahrtkosten oder einen Firmenwagen.

Meist spricht der Arbeitgeber das Thema Geld im Verlauf des Bewerbungsprozesses selbst an. Tut er das nicht, ist der Bewerber gefragt – aber nicht gleich im ersten Telefoninterview oder in der ersten persönlichen Bewerbungsrunde. Dort sollte man vor allem verdeutlichen, warum man zum Job passt und was einen von anderen Kandidaten abhebt.

Wer das ideale Gehalt bereits in der Bewerbung nennen muss, sollte möglichst offen formulieren: „Ich erwarte eine dem Aufgaben- und Verantwortungsbereich sowie meiner Qualifikation angemessene Vergütung.“ Generell gilt: Wer die Gehaltsspannen des Unternehmens nicht genau kennt, sollte nicht das erste Angebot machen. Bewerber können deshalb den potenziellen Chef einen ersten Vorschlag in die Verhandlung einbringen lassen. Anstatt darauf sofort mit einem Gegenvorschlag zu reagieren, sollte man versuchen, ohne ein konkretes Angebot hoch zu pokern „Das Gehalt, was Sie genannt haben, liegt unter dem Durchschnitt. Der Aufgabenbereich der Stelle ist doch sehr anspruchsvoll.“

Nur wer sehr gut über die Spannen des Arbeitgebers Bescheid weiß, kann das erste Angebot setzen – und zwar möglichst am oberen Ende. Menschen, die sich auf ein ganz konkretes, ambitioniertes Ziel fokussieren, erzielen meist die besseren Ergebnisse. Worte wie „eigentlich“, „vielleicht“ und „hoffen“ wirken unsicher und deuten Spielraum an. Berufseinsteiger sollten deshalb auch genau darauf achten, wie sie formulieren: Vermeiden Sie deshalb Sätze wie: „Eigentlich hatte ich auf ein höheres Gehalt gehofft.“

Egal wie hitzig verhandelt wird: Man sollte immer darauf achten, dem Gegenüber und dem Unternehmen eine hohe Wertschätzung entgegenzubringen. Bei der Gehaltsverhandlung sollten Sie immer das Gesamtpaket im Blick haben: Die genaue Position, den Verantwortungsbereich, die Distanz zum Arbeitsplatz. Passt das nicht, kann man auch ruhig ablehnen – sofern man eine bessere Alternative hat oder erwarten kann. Leichtfertig sollte das aber nie geschehen. Obwohl man mit einem Angebot nicht zufrieden ist, könnte es sich lohnen, noch einmal darüber nachzudenken. Lassen Sie sich den genauen Vertrag erst einmal zuschicken. Absagen können Sie dann immer noch.

TEXT Hans-Werner Mayer