SEILBAHNEN SOLLEN ÜBER DAS RHEIN-MAIN-GEBIET SCHWEBEN

Bilder: Schörghuber Stiftung & Co. Holding KG

Eine schnelle, komfortable und sichere Alternative

Duerstau auf den Straßen und überfüllte Bahnen nerven täglich Tausende Pendler. Schnelle Lösungen sind nicht in Sicht: Neue Verkehrstrassen verschlingen hohe Summen. Eine Alternative könnten Seilbahnen im Rhein-MainGebiet sein. „Es ist Zeit, neue Wege zu gehen“, sagt dazu der Direktor des Regionalverbands Frankfurt/Rhein-Main, Thomas Horn. Deshalb habe der Regionalverband die Hochschule Darmstadt gebeten, potenzielle Seilbahnstandorte in Frankfurt zu prüfen.

In Frankfurt könnte eine solche Seilbahn zur Fußball-Europameisterschaft 2024 als Ergänzung und Zubringer an das bestehende U-Bahn- oder S-Bahn-Netz als Verbindung dienen.

VORTEILE

Hoch über den Straßen schweben Seilbahnen über Kreuzungen hinweg, kein Stau hält sie auf. Ihr Antrieb ist elektrisch, es entstehen keine Abgase und Emissionen. Wetterverhältnisse wie Eis und Schnee beeinflussen den Betrieb kaum. Sie zeichnen sich durch einen geringen Platzbedarf aus und konkurrieren nicht mit den begrenzten Verkehrsflächen. Seilbahnen sind flexibel und können räumliche Hindernisse problemlos überwinden. Sie nutzen meist den kürzesten Fahrweg via Luftlinie. Seilbahnen gelten als schnell und preiswert herstellbar und haben im Vergleich zu konventionellen Schienensystemen geringere Betriebskosten. Darüber hinaus sind Seilbahnen schnell rückbaubar. Sie sind flexibel in ihrer Kapazität und können entsprechend der Nachfrage bis zu rund 5.000 Personen pro Stunde je Richtung angepasst werden. Urbane Seilbahnen sind barrierefrei, weisen eine hohe Verkehrssicherheit auf und bieten ein positives Fahrerlebnis aus einer neuen Perspektive mit neuen Blickwinkeln.

NACHTEILE

Seilbahnen sind mit einer limitierten Anzahl von Stationen nur für aufkommensstarke Punkt-zu-Punkt-Verbindungen geeignet. Kurven sind nicht einfach zu realisieren. Die Einsatzgrenze bei den Reichweiten liegt aufgrund der üblichen Geschwindigkeiten von rund 25 km/h bei ca. sechs bis acht Kilometer. Kreuzungsbereiche von Seilbahnen werden nur durch Umstiege ermöglicht und die Haltestellen sind zudem deutlich teurer als Straßenbahnhaltestellen und die rechtliche Bewertung beim Überfahren privater Grundstücke ist noch ungeklärt. Daher sollten möglichst öffentliche Flächen und Straßen für die Seilbahntrasse verwendet werden.

FAZIT

Seilbahnen können ergänzende Bausteine des Öffentlichen Personennahverkehrs werden, um möglichst schnell das Straßen- wie auch das Schienennetz zu entlasten. Eine Alternative für chronisch verstopfte Großstädte, um einem nahenden Verkehrskollaps zu entschweben. In anderen Städten hat sich der Betrieb von Seilbahnen im Nahverkehr bereits bewährt. Ein Beispiel ist Koblenz. Dort entstand zur Bundesgartenschau 2011 in 14 Monaten Bauzeit eine Bahn, die Fahrgäste über den Rhein zur Festung Ehrenbreitstein bringt.  

PILOTPROJEKTE

Eine acht bis zehn Kilometer lange Strecke soll von Schmitten im Hochtaunuskreis zur U-Bahnstation Hohemark in Oberursel führen. In jeder dieser Kabinen finden 35 bis 40 Personen Platz und es gibt darüber hinaus auch Raum für Fahrräder und Kinderwagen. Bis zu 4.000 Passagiere pro Stunde und Richtung können die Gondeln auf diese Weise transportieren.

Auch im Norden Münchens könnte in den kommenden Jahren auf etwa 4,5 Kilometern Länge über dem Frankfurter Ring – einer der verkehrsreichsten Straßen Münchens – eine Direktverbindung zwischen dem Osten und dem Westen der Landeshauptstadt entstehen. Bei einer Geschwindigkeit von acht Metern pro Sekunde und einer Kapazität von 32 Personen pro Kabine können 4.000 Personen pro Stunde und Richtung transportiert werden. Die Errichtungskosten für eine derartige Seilbahn dürften bei einer Länge von vier bis fünf Kilometern mindestens 50 Millionen Euro betragen. 

Eine Seilbahn von der Lichtwiese über Roßdorf nach Groß-Zimmern

Die Master-Studenten des Fachbereichs Bauingenieurswesen Schwerpunkt Verkehrswesen der Hochschule Darmstadt mit ihrem Professor Jürgen Follmann untersuchten auch die Anbindung des Ostkreises Darmstadt-Dieburg mit einer urbanen Seilbahn. Die Ziele: den Verkehr auf der B26 und in der Stadt und die Regionalbuslinien zu reduzieren sowie die Luftqualität zu verbessern.

Für eine Seilbahn könnte wesentlich schneller Planungsrecht geschaffen werden als mit jedem anderen Verkehrsmittel. Die bis zu 65 Meter hohen Masten kommen mit einer Fläche von 20 mal 20 Meter aus, ihr Abstand beträgt 400 bis 800 Meter. Innerhalb von drei bis fünf Jahren könne so eine Seilbahnlinie entstehen, die mit 8,5 Meter pro Sekunde an drei Stahlseilen über bis zu 65 Meter hohe Masten in großen Kabinen schwebt.

Mit Kapazitäten von 5.000 Fahrgästen pro Stunde und Richtung kommen Seilbahnen fast an eine S-Bahn heran und können mit sehr wenig Personal betrieben werden. Die Kabinen sind deutlich günstiger und bauen sich deutlich schneller als ein Bus oder ein Triebwagen für S- oder Straßenbahn.

Belastbare Pendlerzahlen haben die Master-Studenten nicht vorgelegt. Immerhin fahren täglich 38.000 Fahrzeuge im Osten der Stadt rein und raus. Eine Seilbahn macht auch nur dort Sinn, wo viele Menschen nach Ankunft auch weitergebracht werden können. Deswegen ist ein Schienenanschluss an der Endstation wohl unerlässlich.

TEXT Hans-Werner Mayer