
Investoren stellen viel Kapital bereit
Der Lebensmittelkonzern Rewe und das japanische Unternehmen Itochu, das mit Familymart eine der größten Supermarktketten in Asien betreibt, haben zusammen mit anderen Geldgebern insgesamt 42 Millionen Dollar in Wingcopter investiert. Das hessische Start-up mit 120 Beschäftigten betreibt in Weiterstadt eine Fabrik, in der jährlich mehrere Tausend Lieferdrohnen gefertigt werden.
Zu den neuen Investoren gehören zudem der Biontech-Aufsichtsratsvorsitzende Helmut Jeggle und der Darmstädter Unternehmer Enis Ersü. Die Gründer halten aber nach eigenen Angaben weiterhin die Mehrheit. Insgesamt haben sie bisher 60 Millionen Dollar von Investoren eingesammelt. Die neue Finanzierung verdreifacht das bisher aufgenommene Eigenkapital, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Mit dem frischen Kapital plant Wingcopter, seine Drohnen-Lieferdienste global auszubauen und die Produktionskapazitäten zu erhöhen. Nach eigenen Angaben sind diese wegen der hohen Nachfrage für die kommenden zwei Jahre ausgeschöpft – und das, obwohl sie am Standort in Weiterstadt tausende Drohnen im Jahr herstellen können. Außerdem möchte das Start-up in den kommenden Monaten 80 neue Mitarbeitende in allen Abteilungen einstellen und seine Forschung an neuen Produkteigenschaften ausbauen.
Das Unternehmen will seine Drone-Delivery-Dienstleistungen rund um den Globus ausbauen und die Produktion der nach eigenen Angaben weltweit effizientesten senkrecht startenden und landenden elektrischen Lieferdrohne hochfahren. Der Wingcopter 198 ist mit acht Propellern ausgestattet und wiegt bei einer Spannweite von 1,98 Metern gerade einmal knapp 25 Kilo. Laut Hersteller hat er eine Reichweite von bis zu 110 Kilometern bei einer Höchstgeschwindigkeit von 145 Kilometern pro Stunde. Seine maximale Flughöhe beträgt 5.000 Meter. Bis zu sechs Kilo Ladung kann der Wingcopter transportieren, mit voller Ladung soll er noch 75 Kilometer weit kommen. Dank seines patentierten Schwenkrotor-Mechanismus und proprietärer Software-Algorithmen kann der Wingcopter 198 wie ein Multikopter senkrecht starten und landen, gleichzeitig aber auch lange Strecken so effizient und schnell fliegen wie ein Flächenflugzeug, selbst bei starkem Regen und Wind. Gesteuert werden kann die Drohne über Mobilfunk oder über das Satellitenkommunikationssystem Iridium.
Erst vor Kurzem attestierte die US-amerikanische Federal Aviation Administration (FAA) die Flugfähigkeit von Wingcopters Drohne 198 – im Rahmen der Zertifizierung kam auch die Finanzierungsrunde zustande. Das Unternehmen hat bereits die meisten fertiggestellten Wingcopter 198 für dieses und nächstes Jahr an Kunden aus aller Welt verkauft. Die Wingcopter-Fabrik in Weiterstadt ist für die Herstellung von tausenden Wingcopter-Drohnen pro Jahr ausgelegt und will in Kürze mit einer teilautomatisierten Produktion beginnen, die den Produktionsprozess erheblich beschleunigt.
Die Zustellung von Gütern per Drohne hat in den letzten Jahren enorm an Dynamik gewonnen. Ein Beispiel ist die jüngste Partnerschaftsvereinbarung mit Continental Drones, die darauf abzielt, in den nächsten Jahren mit Hilfe von 12.000 Wingcopter-Drohnen eine neue Transportinfrastruktur am Himmel zu schaffen und so dringend benötigte Güter in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara auszuliefern.
Text Hans-Werner Mayer
ÜBER WINGCOPTER
Der Geschäftsführer Jonathan Hesselbarth traf während seines Maschinenbaustudiums an der Uni Darmstadt auf die gleichgesinnten Tüftler Tom Plümmer und Ansgar Kadura. Sie verbrachten viel Zeit in der Akaflieg der Uni. Die drei Gründer sind angetreten, den zivilen Drohnenmarkt weltweit zu erobern. Ihr Unternehmen konzentriert sich auf die Optimierung medizinischer Versorgungsketten sowie auf die Logistik der letzten Meile bei der Lieferung von Paketen, Werkzeugen, Ersatzteilen, frischem Essen und Lebensmitteln. In Malawi, wo das Unternehmen bereits seit 2019 tätig ist, wird Wingcopter sein bestehendes Lieferdrohnennetzwerk mit den neuen Drohnen des Typs Wingcopter 198 und weiteren Hubs ausbauen, um medizinische Güter, von Notfallmedikamenten bis hin zu Covid-Impfstoffen, zu abgelegenen Krankenstationen zu transportieren – ganz im Sinne des Firmenziels, das Leben von Menschen weltweit zu retten und zu verbessern.