NEUE DIABETES TECHNOLOGIEN

Wie der digitale Wandel Menschen mit Diabetes hilft

Diabetes-Technologie ist heute in Kombination mit der zunehmenden Digitalisierung eine der tragenden Säulen der Diabetestherapie. Viele insulinpflichtige Menschen mit Diabetes nutzen Insulinpumpen und Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung um ihren Stoffwechsel besser einzustellen.

m 27. Juli 1921 gelang es Frederick Banting und Charles Best erstmals, Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Tieren zu isolieren und damit durch Injektion bei diabetischen Hunden deren Blutzucker zu senken. Im Januar 1922 wendeten sie Insulin erstmals am Menschen – einem dreizehnjährigen Jungen mit Diabetes Typ 1 – erfolgreich an. Schon ein Jahr später gelang es, Insulin in größeren Mengen aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen und Rindern herzustellen und somit die Behandlung von Diabetes zu revolutionieren. Vor hundert Jahren noch vollkommen undenkbar, können dank der Insulintherapie und immer neuen technischen Entwicklungen heute Menschen mit Diabetes Typ 1 ein weitgehend normales Leben führen. Sie arbeiten, treiben Sport oder reisen wie gesunde Menschen. Das betrifft über 31.500 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren und 312.000 Erwachsene in Deutschland. 

Moderne Technologien wie digitale Instrumente, die rund um die Uhr den Blutzucker messen, sogenannte CGM-Systeme, verbessern die Therapiesituation von Menschen mit Diabetes. „Für mich hat sich durch die digitalen Technologien mein Diabetes-Management deutlich vereinfacht“, sagt Matthias Steiner, Typ 1-Diabetiker und Olympiasieger im Gewichtheben. „Mein digitales Messgerät zum Beispiel kontrolliert sechs Monate lang meine Glukosewerte – dadurch muss ich nicht mehr alle paar Tage den Sensor wechseln oder mir gar wie früher alle paar Stunden in den Finger piksen, um meinen Blutzucker zu messen.“ Steiner trägt das Messgerät immer bei sich: Ein kleiner Sensor sitzt unter seiner Haut und misst permanent seine Werte. Wenn sie zu hoch oder zu niedrig sind, vibriert der Transmitter am Arm und er kann mit seiner Insulinpumpe rechtzeitig gegensteuern. „Was mich an diesem Gerät zudem überzeugt, ist die Tatsache, dass mein Arzt meine Daten mithilfe einer Software auslesen kann. So kann er mir wertvolle Tipps geben, die mir helfen, meinen Diabetes noch besser im Griff zu haben“, so der ehemalige Profisportler. „Für mich sind solche modernen Technologien ein perfektes Beispiel dafür, dass die Entwicklung im Diabetes-Management in die richtige Richtung geht.“ Seine Lebensqualität würde dadurch stark verbessert – nun müsse er nicht mehr ständig an seine Krankheit denken und könne auch mal abschalten.

Auch beim noch jungen „Flash Glucose Monitoring (FGM)“ befindet sich der Sensor im Unterhautfettgewebe und misst kontinuierlich die Glukosewerte, die der Patient dann nach Bedarf abrufen kann. In diesem Jahr kommt das erste »Hybrid-Closed-Loop-System« auf den Markt, dessen Wirkungsweise in Richtung einer künstlichen Bauchspeicheldrüse geht, indem es Messungen und notwendige Insulingaben weitestgehend automatisch steuert.

Vorteile der Diabetes-Apps

„Da intelligente Apps es zulassen, die Therapie-Algorithmen in ihnen zu hinterlegen, machen die Betroffenen durch die ständige Interaktion mit der App weniger Fehler mit ihrer Therapie. Zudem kann der Arzt die Daten leichter analysieren und die Therapie damit noch schneller und gezielter individuell auf den Patienten abstimmen“, erläutert Stephan A. Schreiber, Mitglied der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und niedergelassener Diabetologe. Zudem bereiten die Apps die Daten statistisch und graphisch auf. Als PDF kann der Patient sie anschließend ausdrucken oder per E-Mail verschicken, zum Beispiel an seinen Arzt. „Egal welcher Diabetes-Typ oder ob jung oder alt – es gibt für jeden die passende Diabetes-App“, meint Schreiber. Selbst Menschen mit Diabetes-Typ 2, die bisher noch nicht spritzten, können die App als reines Dokumentationswerkzeug nutzen. In Verbindung mit Apps sind Biosensoren die modernste Möglichkeit der Diabetes-Kontrolle. „Mit den Biosensoren entfällt das mehrmals tägliche Stechen und Messen“, erklärt Schreiber. „Stattdessen misst ein kleiner, unauffälliger, auf der Haut mit Hilfe eines Applikators gesetzter Sensor den Gewebeblutzucker kontinuierlich rund um die Uhr.“ Aktuell stehen drei Systeme zur Verfügung. „Hier liegt die Zukunft der modernen Diabetes-Therapie“, prophezeit Schreiber. „In 20 Jahren wird das der Standard für Betroffene mit Typ-1-Diabetes mellitus sein“, glaubt der Experte.

Text: Hans-Werner Mayer