LESENSWERT

Fotos: Kiepenheuer & Witsch

Das literarische Debüt der Darmstädter Toptennisspielerin ANDREA PETKOVIĆ

Daniel Patschull

ZWISCHEN RUHM UND EHRE LIEGT DIE NACHT von Andrea Petković

Tennis als Spiegel des Lebens – die ehemalige Top-Ten-Spielerin erweist sich als grandiose literarische Erzählerin. Sie schlägt die Brücke zwischen Sport und Literatur und begeistert mit zutiefst ehrlichen und anrührenden Geschichten rund um ihr Leben als Tennisprofi. Wie gelingt die Balance zwischen notwendiger Siegesgewissheit und gefräßigem Selbstzweifel? Wie schafft man es, trotz manch krachender Niederlage und nervtötender Verletzungen die Freude am Spiel nicht zu verlieren? Und wie pflegt man Freundschaften in einer Welt der Rivalität und des ständigen Unterwegsseins? Andrea Petković nimmt uns mit in die Welt eines faszinierenden Sports, der so unkontrollierbar und aufregend ist wie das Leben selbst. Klug, poetisch und mit viel warmherzigem Humor erzählt sie Geschichten aus ihrer Kindheit und Jugend in Darmstadt als Flüchtlingskind aus dem ehemaligen Jugoslawien, von herzzerreißenden Begegnungen auf und neben dem Tennisplatz, von ihrer zerrissenen serbisch-deutschen Seele und wilden New Yorker Nächten, von weiblichen Körpern im Leistungssport – und von ihrer großen Liebe zur Literatur und zur Musik. So ist ihr Debüt als literarische Autorin eine bewegende und witzige Hommage auf das Auf und Ab des Lebens – nicht nur für Tennisliebhaberinnen und Tennisliebhaber.

Die Autorin: Andrea Petkovi, wird 1987 in Tuzla/Bosnien geboren und zieht im Alter von sechs Monaten mit ihrer Familie nach Darmstadt. Im Alter von sechs Jahren beginnt sie mit dem Tennissport. 2007, ein Jahr nach Beginn ihrer Profikarriere, spielt sich Petković in die Top 100 der Welt. Ihren ersten WTA-Titel erringt sie zwei Jahre später im österreichischen Bad Gastein. 2011 schafft sie es unter die besten zehn der Weltrangliste. 

Verletzungsbedingt fällt sie anschließend weit zurück, kämpft sich aber wieder vor und spielt 2014 die beste Saison ihrer Karriere. Als Autorin hat sie 2018 mit ihren Kolumnen im SZ-Magazin für Aufsehen gesorgt. Seit Dezember 2019 steht sie als Moderatorin der ZDF-Sportreportage vor der Kamera. »Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht« ist ihr erstes Buch.

ISBN: 978-3-462-05405-7, 272 Seiten

Kurt Drawert

Foto: Ute Döring

Geboren 1956 in Hennigsdorf bei Berlin, lebt als Autor von Lyrik, Prosa, Dramatik und Essays in Darmstadt, wo er auch das Zentrum für junge Literatur leitet. Bei C.H. Beck erschienen der Roman «Ich hielt meinen Schatten für einen anderen und grüßte» (2008), die gesammelten Gedichte «Idylle, rückwärts» (2011), «Schreiben. Vom Leben der Texte» (2012), «Was gewesen sein wird. Essays 2004 – 2014» (2015) und das Langgedicht «Der Körper meiner Zeit» (2016). Für seine Prosa wurde Drawert ausgezeichnet u.a. mit dem Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung, dem Uwe-Johnson-Preis und dem lngeborg-Bachmann-Preis, für seine Lyrik u.a. mit dem Leonce-und-Lena-Preis, dem Lyrikpreis Meran, dem Nikolaus-Lenau-Preis, dem Rainer-Malkowski-Preis, zuletzt mit dem Robert-Gemhardt-Preis 2014. 2017 erhielt er den Lessing-Preis des Freistaates Sachsen und war 2018 Dresdner Stadtschreiber.

SPIEGELLAND von Kurt Drawert

Kurt Drawerts «Spiegelland» ist ein zentraler und furios-schöner Roman über die persönliche und politische Zäsur des Endes der DDR und eine hoch belastete Vater-Sohn-Beziehung, über die Formen der Zurichtung von Geist und Körper und deutsche Unterdrückungsgeschichte. Poetisch, radikal, erschütternd, komisch und ein Fanal des Widerstands der Literatur.
Unmittelbar nach dem Ende der DDR schrieb Kurt Drawert den Roman «Spiegelland», der eines der eindrucksvollsten und bedeutendsten Zeugnisse über die historischen und biografischen Brüche ist, die diese dramatische Zäsur in unserer Geschichte zugleich hervorgerufen und sichtbar gemacht hat.

Mit einem eigenwilligen poetischen Furor, der einen mitunter an Thomas Bernhard denken lässt, schreibt Drawert in diesem radikalen und ergreifenden Text, der vor allem auch die Geschichte einer scheiternden Vater-Sohn-Beziehung ist, gleichzeitig über die Mechanismen der Repression in der DDR, hinter denen eine lange deutsche Unterdrückungshistorie steckt. 

In der Beschreibung des Vaters und damit auch des «Autoritären Charakters» wird ein deutsches Trauma kenntlich, auch wie die Sprache der Zurichtung funktioniert und wie sich die poetische Sprache ihr widersetzt. Wie schreiben sich Lebenszerstörung und -verarmung über sprachliche Formeln, Schweigen, Gesten, Züchtigung und Versagung in Geist und Körper ein? Und inwieweit ist große Literatur wie dieser Roman auch ein Akt des Widerstands und der Befreiung? Mit dieser Ausgabe wird «Spiegelland», ein Text, der sich seine Frische und Wucht unverändert bewahrt hat, wieder zugänglich, ergänzt um einen Essay.

Verlag C. H. Beck, München 2020, 158 Seiten, 18,- Euro
ISBN: 978-3406755408

DRESDEN. DIE ZWEITE ZEIT von Kurt Drawert

Mehr als fünfzig Jahre sind vergangen, seit er als Kind 1967 mit seiner Familie nach Dresden gezogen ist, das er 1985 wieder verlassen hat. Nun kehrt Kurt Drawert als Stadtschreiber nach Dresden zurück, eine Stadt, die ihm vertraut und doch ganz unvertraut ist. Er ist auf der Suche nach etwas, von dem nur er weiß, dass es ihm fehlt. Die Schönheit und die Wunden dieser Stadt, die Risse in der Familie und in der eigenen Biografie sind Themen und Motive dieses dichten, autobiografischen Romans. Ebenso wie die politisch aufgeladene Stimmung in Dresden, die offenen Fragen nach Tätern und Opfern, in der großen wie in der persönlichen Geschichte.

„Dresden. Die zweite Zeit“ ist ein Buch über den Zusammenhang von Körper und Sprache und Geschichte, ein gewaltiges, großes Dokument eines ums Verstehen ringenden Blicks auf die eigene Zerrissenheit und die der Stadt und des immer noch geteilten Landes.

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 8. September 2020

Verlag C. H. Beck, München 2020, 298 Seiten, 22,- Euro
ISBN: 978-3-40675477-7

TEXTE Hans-Werner Mayer