Kardiovaskuläres Zentrum Darmstadt im Ärztehaus Mathildenhöhe am Alice-Hospital

DIE DIGITALISIERUNG IN DER MEDIZIN BIRGT GROSSE CHANCEN ABER AUCH RISIKEN

Kardiologe Dr. med. Matthias Zander über den zukünftigen Einfluss von Big Data auf Ärzte und Patienten Ohne Hightech-Anwendungen ist die moderne Medizin heute eigentlich nicht mehr vorstellbar. So befindet sich der medizinische Betrieb in ständiger Optimierung. Als Beschleuniger wirkt hier vor allem die Digitalisierung. Durch den Einfluss von Big Data werde es schon bald zu elementaren Veränderungen sowohl im Arbeitsalltag als auch im Arzt-Patientenverhältnis kommen, weiß Kardiologe Dr. Matthias Zander. Der erfahrene Facharzt, der seit fast 25 Jahren am Kardiovaskulären Zentrum auf der Mathildenhöhe, der größten Praxis für Kardiologie und Angiologie Südhessens, tätig ist, erklärt im Interview, welche weitreichenden Auswirkungen die fortschreitende Digitalisierung in der Medizin haben wird.

Inwieweit können Sie in der Kardiologie bereits auf digitale „Helfer“ zurückgreifen?

Dr. Matthias Zander: Das betrifft bei uns zum Beispiel Herzschrittmacher. Die neueste Generation dieser Technik funktioniert nun telemetrisch und etabliert sich gerade im Praxisalltag. Das heißt: Der Patient kann über ein Telefon oder anderes Empfangsgerät entsprechende Funktionsdaten selbst herauslesen. Diese werden dann über ein Datenzentrum ausgewertet und bei Bedarf dem behandelnden Arzt beispielsweise als SMS übermittelt, damit dieser Kontakt zum Patienten aufnimmt. So lassen sich unter anderem Arzt-Patienten-Kontakte in der Praxis einsparen beziehungsweise die Intervalle von Kontrolluntersuchungen verlängern. Zudem sind Herzschrittmacher heute in der Lage mittels eines Sensors etwa bei Herzinsuffizienz sehr früh zu erkennen, wenn der Patient zum Beispiel Wasser als deutliches Zeichen einer schwachen Herzleistung einlagert. Dann wird automatisch durch ein Signal der Arzt alarmiert.

Was kommt insgesamt auf die Medizin durch die Digitalisierung zu?

Dr. Matthias Zander: Da wird es in vielen Bereichen merkliche Veränderungen geben – zum Beispiel beim Umgang mit Patientendaten: Hier wird es nicht mehr lange dauern, bis die elektronische Patientenakte flächendeckend eingeführt ist. So könnten Informationsverluste, die an analogen Stellen häufig auftreten – etwa wenn ein Patient nicht weiß, welche Medikamente er nimmt – weitgehend vermieden werden. Zudem besteht so eine permanente Kommunikationsschiene zwischen den verschiedenen Ärzten eines Patienten.

Wo werden die Daten einer elektronischen Patientenakte gespeichert?

Dr. Matthias Zander: Es ist noch nicht klar, wie das in Deutschland gelöst wird: Ob dann alles auf der Versicherten-Chipkarte gespeichert ist oder in einer zentralen Serverdatei. Sicher ist, dass das digitale Patientenprofil kommt, auch weil Bundesgesundheitsminister Spahn das Thema vorantreibt. Im Moment befinden wir uns in Deutschland aber noch in der Gärungsphase, die auch von Skepsis geprägt ist: Das ist nicht nur der Datenschutzdiskussion geschuldet, sondern liegt auch an der kritischen Einstellung vieler Ärzte zu dem Thema.

Woher kommt die Skepsis?

Dr. Matthias Zander: Wenn der Patient gläsern wird, wird es der Arzt ebenfalls. Jede Behandlung wird dadurch nämlich transparenter. So könnte beispielweise ein EKG auch von anderen analysiert und bewertet werden. Das verursacht bei vielen Kollegen ein latentes Unwohlsein. Dennoch ist diese Entwicklung meines Erachtens unumgänglich. Doch die Politik muss hier auf jeden Fall für Mechanismen sorgen, die die Umsetzung der EU-Datenschutzverordnung garantieren.

Inwiefern wird sich „Dr. Google“ weiterentwickeln?

Dr. Matthias Zander: Es wird zum Beispiel ein breites Angebot an medizinischen Apps geben, die Patienten ermöglichen selbst Diagnosen zu stellen. Dadurch wird sich vermutlich das Arzt-Patientenverhältnis dahingehend verändern, dass der Laie durch die fundierten digitalen Informationen nun mehr Kompetenz für sich in Anspruch nimmt. Im günstigsten Fall ist es dann so, dass der aufgeklärte und gut informierte Patient ‚stärker‘ wird und damit auch besser mitentscheiden kann über seinen weiteren diagnostischen und therapeutischen Weg.

Bekommt der Arzt damit eine neue Rolle?

Dr. Matthias Zander: So ist es. Der Mediziner wird nicht mehr derjenige sein, der alles entscheidet und vorgibt. Er macht dann gewissermaßen nur noch Vorschläge. Dadurch wird das Arzt-Patient-Verhältnis wahrscheinlich partnerschaftlicher und die professionelle medizinische Kompetenz wird kritischer hinterfragt. Dies kann das Vertrauensverhältnis zum Arzt belasten.

Meine Befürchtung ist, dass die Verbreiterung der Meinungseinholung durch Apps nicht unbedingt zu mehr Klarheit führt. Im Gegenteil. Wenn Patienten zu viele Apps zu Rate ziehen – das ist im analogen Bereich mit einer zweiten, dritten oder vierten Arzt-Meinung nicht anders – kann es zu einer Kakophonie kommen. Eine solche vieltonige Dissonanz könnte dann im schlimmsten Fall verhindern, dass die richtigen medizinischen Entscheidungen getroffen werden.

Welche Kriterien müssen denn gute Apps erfüllen?

Dr. Matthias Zander: Sehr hilfreich wäre es, wenn es hier eine Regulation gäbe, die Qualitätsunterschiede deutlich macht. Wir bräuchten also ein Zertifizierungssystem, das seriöse von unseriösen Inhalten unterscheidet. Sonst läuft man Gefahr, Pseudowissen aufzusitzen oder beispielsweise auf paramedizinische ‘Fake-News‘ zu stoßen, wo etwa ein schulmedizinischer Weg verunglimpft wird. Die Folge solcher irreführenden Vielfalt wäre dann eine tiefe Verunsicherung auf Patientenseite.

Werden Mediziner auch vermehrt mit Apps arbeiten?

Dr. Matthias Zander: Das wird wohl Alltag werden. Insbesondere die jüngeren Kollegen werden da die wenigsten Berührungsängste haben. Dabei wird die Medizin durch diese digitalen Unterstützung nicht neu erfunden! Das, was in den Leitlinien und Lehrbüchern steht, ist dann nur dauernd verfügbar und direkt abrufbar. Vor allem bei Diagnosefindung in Notaufnahmen könnten sich solche digitalen Helfer bewähren: Nach Füttern der App mit den abgefragten Patientendaten samt Symptomen und Vorerkrankungen liefert das Programm dann unmittelbar eine Analyse und Bewertung, schlägt eine bestimmte Behandlung vor.

Wo bleibt da aber das Bauchgefühl eines erfahrenen Mediziners?

Dr. Matthias Zander: Das Intuitive wird meiner Meinung nach mit der Zeit verkümmern und der Erfahrungsschatz des Arztes damit auch an Wert verlieren. Man wird sich wohl mehr auf verbindliche Digitaldaten und weniger auf das Bauchgefühl verlassen. So werden sich Ärzte in Zukunft wohl schwerer tun, Behandlungen ohne ‚App-Stützung‘ durchzuführen. Unterm Strich wird sich durch die fortschreitende Entwicklung von Big Data bereits in wenigen Jahren das Gesicht der Medizin erheblich verändern. Auf jeden Fall ist es eine Zeitenwende, wo Risiken und Chancen dicht beieinander liegen. Mein Fazit: Bangemachen gilt nicht! Die digitale Herausforderung ist anzunehmen und konstruktiv zu begleiten.

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