Interview mit Karsten Wiegand – Intendant des Staatstheaters Darmstadt

Foto Robert Schittko/Pixabay

Karsten Wiegand, geboren 1972 in München, studierte Germanistik, Politikwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre in München und Berlin. Seine Theaterlaufbahn begann er 1994 als Dramaturg für Schauspiel und Musiktheater am Hans Otto Theater in Potsdam. Anschließend arbeitete er als freier Regisseur unter anderem am Theater Bremen, der Oper Hannover, dem Staatsschauspiel und der Staatsoper Stuttgart sowie der Staatsoper Berlin. Für „Faust I“ in Weimar erhielt er 2001 den Bayerischen Theaterpreis. Von 2008 bis 2013 war er Opern- direktor des Deutschen Nationaltheaters Weimar. Seit August 2014 ist er Intendant des Staatstheaters Darmstadt.

MM: Welches Publikum möchten Sie am liebsten im Staatstheater Darmstadt sehen?

Wiegand: Ich möchte Intendant eines offenen Hauses sein und alle Zielgruppen ansprechen. Ich bin ja kein Türsteher, sondern Intendant und begrüße alle herzlich, die mit Neugier hierher kommen. Ein bunt gemischtes Publikum aus allen Generationen und mit unterschiedlichem Background, mit verschiedenen Hoffnungen und Erwartungen zu erreichen, ist das Ziel und das erreichen wir am besten mit einem bunt gemischten Spielplan. Eine große Zielgruppe zum Beispiel, die oft nicht so einfach ins Theater kommt, sind Eltern zwischen etwa 30 und 50 Jahren. Deshalb bieten wir jetzt gleichzeitig zu einigen Aufführungen eine Kinderbetreuung an und könnten das bei Nachfrage auch ausbauen.

MM: Ist Ihrer Meinung nach eine opulente Inszenierung noch möglich…oder nur noch eine spartanische?

Wiegand: Die Phantasie zu wecken ist natürlich für ein Theatererlebnis immer noch am wichtigsten, davon lebt Theater seit jeher. Es gibt bei uns aber durchaus viele bilderstarke Aufführungen, wo es viel zu sehen gibt. Die Werkstätten haben insgesamt aber nicht mehr die gleichen Kapazitäten wie früher, da konnte man mitunter in Aufführungen drei verschiedene historische Kostümsätze für jeweils den ganzen Chor verwenden und aus einem riesigen Fundus schöpfen. Der Gesamtetat für die Ausstattungen ist zwar gleich geblieben und dafür sind wir sehr dankbar, denn wir werden von unseren Trägern Land Hessen und Stadt Darmstadt sehr seriös und gut behandelt. Aber die Preissteigerungen wurden bei den Ausstattungskosten sehr viele Jahre nicht berücksichtigt und so sind diese Etats real stark gesunken. Und wir produzieren immer mehr neue Inszenierungen, zur Zeit ca. 30 Premieren im Jahr. Früher gab es wesentlich weniger Produktionen, die dafür viel öfter aufgeführt wurden.

MM: Auf was sind Sie beruflich besonders stolz und was erwartet das Publikum vor Weihnachten, was nicht unbedingt im Spielplan steht?

Wiegand: Auf den enormen Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die hohe Qualität, Kreativität und Vielfalt der Produktionen am Staatstheater Darmstadt. Um nur einmal einige aktuelle Stücke zu nennen: Das weiße Band, Moby Dick, Die Zauberflöte, Sadeh 21, die Franziskus-Oper, Die Fledermaus, Diener zweier Herren, dazu große Konzerte, Soloabende an der Bar und Gespräche – ich denke das zeigt schon die hohe Vielfalt. Und bei jeder Produktion versuchen wir aufs Neue wirklich etwas zu wagen und hoffen, dass es gelingt. Zur Zeit sind wir wirklich dankbar und froh, weil so viel geglückt ist und bei sehr vielen Menschen wunderbar ankommt. Dafür gibt es kein Rezept: Alles Gelingen in der Kunst hat ein Geheimnis und alles Scheitern hat Gründe.

MM: Was würden Sie gerne in Darmstadt verändern, wenn Sie die Macht hätten?

Wiegand: Das Leben in Darmstadt gefällt mir wirklich gut, es wird mir nur zu viel gemeckert. Hier gilt oft: Nicht gemeckert ist schon gelobt. Ein Beispiel: Ich war im Sommer an einem frühen, schönen Morgen im Woog schwimmen und fand es herrlich, da sagte eine Frau zu mir: „Na, Herr Intendant, es ist hier doch gar nicht so schlimm …“ Ich finde, mit weniger Meckern, mehr Freude und mehr Bereitschaft, etwas zu verbessern, anstatt zu meckern, macht das Leben einfach mehr Spaß.

MM: Wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Wiegand: Ich glaube das ist besser, wenn das die anderen machen…

MM: Im Theater gibt es ja viele Berufsbilder, haben Sie auch Nachwuchsprobleme?

Wiegand: Ja uns fehlen durchaus gute Bewerber in einigen Bereichen und beim Thema Recruiting fehlen uns lange Erfahrungen, weil wir das in der Vergangenheit nicht nötig hatten.

MM: Was ist Ihr Lieblingsrestaurant in Darmstadt?

Wiegand: Die wenigen Abende, wo ich nicht im Theater bin, gehe ich am liebsten nach Hause zum Essen. Ansonsten kennen wir Theaterleute nur Lokale, die nach der Vorstellung noch offen sind und was zu essen haben. Da ist in Darmstadt das Angebot übersichtlich. Ich gehe gerne in das „Zoo“ an der Stadtkirche und zum „Corner“ in der Grafenstraße.

MM: Wir danken für das Gespräch.