HESSEN AUCH IM JAHR 2035 NICHT STAUFREI

ILLUSTRATION House of Logistics and Mobility GmbH

Logistik und Mobilität in der Zukunft

Das Fraunhofer-Institut und das Frankfurter Forschungszentrum House of Logistics and Mobility GmbH (HOLM) haben eine umfassende Studie zur Zukunft der Logistik in Hessen bis 2035 vorgelegt. Für die Arbeit haben die Forscher 200 Experten und 300 hessische Bürger nach ihrer Einschätzung von Zukunftsthesen befragt.

Die Mehrheit der in der Studie befragten Experten prognostiziert, dass die zukünftig angestiegene Mobilitätsnachfrage im Jahr 2035 weder vom Straßen- noch vom Bahnverkehr angemessen bedient werden kann. Fortschreitende Urbanisierung und wachsende Bevölkerung in Regionen rund um die großen Kernstädte führen jedoch zu einer Zunahme des Stadt-Umland-Verkehrs. Die Nachfrage der Bürger nach einer komfortablen, flexiblen und sicheren Mobilität steigt, nicht nur in den Städten, auch in den ländlichen Regionen.

Nachhaltige und innovative Konzepte für Personen- und Gütermobilität sind zentrale Hebel, um die Verkehrsbelastung zu reduzieren. Dadurch können Lebensqualität und Wirtschaftlichkeit in Ballungsräumen gesteigert werden. Nicht nur der ÖPNV kommt an seine Grenzen. In Zukunft werden auch die hessischen Straßen ihre Kapazitätsgrenze überschritten haben. Der Einsatz intelligenter Verkehrssteuerung soll die negativen Effekte des Verkehrs reduzieren. Verkehrseffizienz und Verkehrssicherheit müssen gesteigert, bestehende Verkehrskonzepte optimiert werden. Technologische Innovationen, beispielsweise autonomes Fahren, können das System revolutionieren. Bereits 44 Prozent der befragten Bürger können sich derzeit vorstellen, im Jahr 2035 fahrerlose Autos zu nutzen.

Logistik wird smarter und sauberer

Nach Einschätzung der Experten wird Hessen zwar auch 2035 nicht staufrei sein. Doch es wird ihnen zufolge weniger Stillstände auf Autobahnen geben, weil Verkehr zunehmend intelligent gesteuert wird. Teil der Verkehrssteuerung könnte zum Beispiel das Kolonnenparken von LKW auf Autobahnrastplätzen sein. Dabei werden die Fahrzeuge nach Abfahrtszeiten sortiert und dicht hintereinander geparkt. Intelligente Verkehrssyteme und verbesserte Sensorik an den Fahrzeugen sollen zudem die Zahl der Unfälle reduzieren. Ein Viertel des hessischen Gesamtverkehrs dürfte laut Studie in 2035 von autonomen Fahrzeugen bewältigt werden. Zudem gehen 80 Prozent der Experten davon aus, dass die Hälfte aller Transportfahrzeuge 2035 emissionsfreie Antriebe nutzt.

Der Flughafen in Frankfurt dürfte sich zu einer »Airport City« wandeln, also zu einem wichtigen Standort für Dienstleistungen, Handel, Konferenzen, Forschung und Freizeit. 80 Prozent der teilnehmenden Experten glauben nicht, dass ein schneller Schienengütertransport dazu führt, dass Luftfracht auf die Schiene verlagert wird.

Pessimistisch blicken die Mobilitätsspezialisten auf die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur. Die Mehrheit der befragten Experten prognostiziert, dass die künftig angestiegene Mobilitätsnachfrage weder vom Straßen- noch vom Bahnverkehr in Hessen im Jahr 2035 angemessen bedient werden kann. Es wird keine grundlegend neue Verkehrsinfrastruktur in Deutschland bis 2035 gebaut werden. Optimistischer blicken die Spezialisten auf alternative Lieferkonzepte auf der letzten Meile, wie Drohnen, Hochbahnen, Lastenräder oder Kofferraumzustellungen. Die meisten Experten glauben, dass sie die konventionelle Güterverteilung bis 2035 ablösen. Markus Riese, der Geschäftsführer des Fahrradherstellers Riese & Müller GmbH in Mühltal, nahm auch an der Studie teil und ist optimistisch: „Für 2035 ist ein Anteil von
50 Prozent an Lastenrädern auf der letzten Meile realistisch.“

Die Mobilitätsspezialisten schlagen in der Studie vor, die Forschung über künstliche Intelligenz auszubauen sowie neue Ausbildungskonzepte zu entwickeln. Zudem regen die Experten Untersuchungen zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten von Luftschiffen und zu einer CO2-Steuer an. Letztere soll Anreize für umweltfreundliche Transportkonzepte schaffen.

TEXT Hans-Werner Mayer