GUT GERÜSTET FÜR DIE ELEKTROMOBILITÄT

BMW i3 (120 Ah): Kraftstoffverbrauch 0,0 l/100 km; Stromverbrauch kombiniert 13,1 kWh/100 km; CO2-Emissionen kombiniert 0 g/km. Alle FOTOS BMW Presse

Interview mit Stefan Juraschek

Haben deutsche Autobauer, BMW eingeschlossen, die Elektromobilität verschlafen? Stefan Juraschek, Leiter Entwicklung Electric-Powertrain bei BMW, verneint das entschieden. Vielmehr kündigt er weitere neue Modelle an und erklärt, wie die BMW Group außerdem für die Zukunft der Elektromobilität gerüstet ist.

»M«: Herr Juraschek, hat BMW die Elektromobilität verschlafen?

STEFAN JURASCHEK Leiter Entwicklung Electric-Powertrain bei BMW

Stefan Juraschek: Nein, definitiv nicht. Mit BMW i3 war die BMW Group in einer Pionier-Rolle. Heute sind wir der Premium-Hersteller mit dem breitesten Angebot an batterie-elektrischen Fahrzeugen und Plug-in-Hybriden. Bis 2025 soll die Zahl auf mindestens dreizehn Plug-in-Hybrid-Modelle steigen. Zusammen mit dem breiter werdenden Angebot an rein elektrischen Fahrzeugen, deren elektrische Reichweite bereits im kommenden Jahr signifikant steigt, wird das Angebot dann mindestens 25 elektrifizierte Modelle umfassen. Im vergangenen Jahr haben wir über 100.000 Einheiten verkauft, in diesem Jahr werden es rund 50 Prozent mehr sein.

»M«: Ist die BMW Group gerüstet, wenn die E-Mobilität in Zukunft noch stärker an Fahrt aufnimmt?

Stefan Juraschek: Derzeit entwickelt die BMW Group bereits die fünfte Generation ihrer Elektroantriebe und hat damit ideale Voraussetzungen für die Zukunft gesetzt. Diese wird bereits 2020 im BMW iX3 zum Einsatz kommen. Ein entscheidender Vorteil dieser 5. Generation ist, dass die E-Maschine zusammen mit Getriebe und Leistungselektronik eine neue, hochintegrierte E-Antriebskomponente bildet. Diese sehr kompakte Einheit beansprucht deutlich weniger Platz als die drei einzelnen Komponenten der Vorgängergenerationen. Zudem ist sie dank ihres modularen Aufbaus skalierbar und kann an unterschiedlichste Bauräume und Leistungsstufen angepasst werden. Zeitgleich mit den neuen E-Antriebskomponenten wird die BMW Group die nächste Batteriezellgeneration in den neuen skalierbaren und noch leistungsfähigeren Fahrzeugbatterien in Serie bringen.

»M«: Wenn Sie Batteriefahrzeuge in die Breite bringen, sehen Sie da nicht ein Risiko, gar nicht die nötigen Mengen an Rohstoffen zu bekommen?

Stefan Juraschek: Ein Versorgungsrisiko sehen wir auch bei steigender Nachfrage nach Batteriezellen nicht. Über langfristige Verträge haben meine Kollegen im Einkaufsressort für uns die Versorgung gesichert. Zudem haben wir Inhouse-Kompetenzen zur Batteriezelle, die wir in Kooperationsprojekten mit internationalen Partnern entlang der Wertschöpfungskette aufgebaut haben. Die nutzen wir zur Sicherung des Technologiezugangs und der Versorgung. Gleichzeitig versuchen wir den Anteil an kritischen Rohstoffen schrittweise zu reduzieren. So ist beispielsweise die signifikante Reduzierung des Kobalt-Anteils in der Batteriezelle ein wesentliches Ziel unserer Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Ein anderes Beispiel ist in unserem E-Antriebsstrang der fünften Generation die E-Maschine, die ohne seltene Erden auskommt.

»M«: Zellhersteller aus Asien investieren seit Jahren enorme Summen in die Zellentwicklung und künftige Batterietechnologien. Können Sie deren Vorsprung – technologisch, aber auch wirtschaftlich – überhaupt noch einholen?

Stefan Juraschek: Bei der Batterietechnologie können wir keinen Vorsprung von Wettbewerbern gegenüber uns erkennen. In der Summe der Eigenschaften ist unsere Batterietechnologie je nach Betrachtungsweise auf Augenhöhe oder dem Wettbewerb voraus. Wir beschäftigen uns bereits seit 2008 mit der Batteriezelle und sind unter anderem mit einem internationalen Netzwerk an Kooperationen gut aufgestellt. Für uns gilt, dass wir unsere Inhouse-Kompetenz weiter ausbauen und die Batteriezelltechnologie weiter vorantreiben. Zudem befähigt uns der Aufbau von Batteriezell-Prototypen und Kleinserien, die Produktionsprozesse vollständig zu analysieren und eine sogenannte „Build-to-Print Kompetenz“ aufzubauen. Damit können wir Systemlieferanten von der Auswahl des Materials bis hin zur Zellproduktion exakt nach BMW Group Vorgaben beauftragen.

»M«: Warum produzieren Sie die Batteriezellen dann nicht selbst?

Stefan Juraschek: Die BMW Group sieht derzeit und auch für die kommenden Jahre keinen wettbewerbsdifferenzierenden Vorteil in der Produktion der Zelle. Dort wo wir einen solchen Vorteil sehen, produziert unsere konzerneigene E-Komponenten-Fertigung die Komponenten auch selbst – wie zum Beispiel den elektrischen Antriebsstrang. So fertigen wir selbst aus den angelieferten Batterie-Zellen die Module und komplettieren diese zu Hochvoltspeichern.

»M«: Macht das wirklich Sinn? Einen E-Motor könnten Sie doch auch von einem Zulieferer einkaufen?

Stefan Juraschek: Als die Entwicklung des BMW i3 konkreter wurde, gab es keine E-Maschine auf dem Markt, die alle unsere Kriterien erfüllt hätte. Und auch heute wollen wir hinsichtlich der wesentlichen Performance-Eigenschaften genauso wenige Kompromisse machen wie bei Bauraum, Leistung und Gewicht. Antriebe waren für die BMW Group schon immer wettbewerbsdifferenzierend. Bei den E-Antrieben ist dies nicht anders.

»M«: Ein E-Motor ist doch wie der andere – kann der Kunde da wirklich einen Unterschied erkennen?

Stefan Juraschek: Der Kunde wird nicht jede Eigenschaft der E-Maschine zuordnen können, aber im direkten Vergleich ist der Unterschied doch relevant. Am deutlichsten merkt der Kunde wahrscheinlich, bis zu welcher Geschwindigkeit der Motor seine Leistungsfähigkeit aufrechterhält. Indirekt merkt er, dass die Reichweite schneller sinkt, wenn der Wirkungsgrad der E-Maschine schlechter ist.

TEXT Hans-Werner Mayer