FRÜHER AN SPÄTER DENKEN

FOTO Johannes Plenio

Damit das Lebenswerk in gute Hände kommt

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…eigene Wege gehen…

Die Zahl der Unternehmer im „Rentenalter“ wächst und die meisten planen das Geschäft in die Hände von Tochter, Sohn oder eines anderen Familienmitglieds zu legen. Aber viele Söhne und Töchter möchten ihre eigenen Wege gehen und sehen die Nachfolge nicht als „familiären Automatismus“ an. Dann bleibt mitunter nur der Verkauf des Unternehmens an Mitarbeiter, ein fremdes Unternehmen oder einen Investor. Dies wird sich auf die Geschäftsentwicklung auswirken. Etwa vier Millionen Arbeitsplätze hängen vom Gelingen einer Unternehmensübernahme ab.

Der Generationenwechsel wird den Mittelstand hart treffen: Rund 620.000 Firmen planen bis 2018 einen Wechsel auf dem Chefposten innerhalb der Familie oder an einen externen Investor. Das ist jeder sechste Mittelständler bundesweit, wie eine Studie der KfW-Bankengruppe ergab.

Der bevorstehende Generationswechsel betrifft Unternehmen über alle Segmente hinweg. Doch die Zahl derjenigen, die ein bestehendes Unternehmen weiterführen wollen, sinkt seit Jahren. Der zunehmende Mangel an Fachkräften führt dazu, dass gut qualifizierte Personen attraktive Konditionen als Arbeitnehmer aushandeln können und dies einer Selbstständigkeit vorziehen. Doch ohne Verjüngung an der Firmenspitze rechnet kein Experte mit einem wirklichen Innovations-Schub.
Ein weiteres Problem: Viele Mittelständler machen sich zu spät Gedanken über das Thema Nachfolge oder unterschätzten den Zeitbedarf bei der Übergabe der Geschäftsleitung. Etwa ein Drittel der Unternehmer, die binnen drei Jahren ihre Firma an einen Nachfolger übergeben wollen, haben der KfW-Studie zufolge bislang nichts oder nur wenig in dieser Richtung unternommen.
Auch die Zahl der Betriebe, die keinen »Notfallkoffer« für eine ungeplante Übergabe zusammengestellt haben, ist mit 72 Prozent erschreckend hoch. Für zahlreiche inhabergeführte Unternehmen stellt das ein Existenzrisiko dar, wenn bei schwerer Erkrankung oder im plötzlichen Todesfall des Inhabers keine Regelungen für Vertretungen, Vollmachten und dem Zugriff auf sensible Daten getroffen wird.

Knackpunkt Kaufpreis

Mit dem DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2016 legt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag eine Einschätzung der IHK-Organisation zur Nachfolgesituation im deutschen Mittelstand vor. Der Studie nach fordern 44 Prozent der Alt-Inhaber einen zu hohen Kaufpreis – nicht zuletzt, weil sie die Mühen für ihr Lebenswerk einkalkulieren. Übernehmer sehen das nüchterner und richten den Blick eher auf das Marktpotenzial.
Auch die Finanzierung bleibt eine weiterhin schwierige Hürde bei der Betriebsübernahme. Die steigenden regulatorischen Anforderungen (Basel II) erschweren die Kreditvergabe durch Banken. Trotzdem hat sich das Finanzierungsumfeld verbessert, da Nachfolger derzeit Fremdkapital zu niedrigeren Zinsen aufnehmen können.

Wer auf der Suche nach dem „Richtigen“ ist, der sein Unternehmen, sein Lebenswerk, nicht nur einfach übernehmen, sondern auch weiter florieren lassen kann, hat zahlreiche Recherche-Optionen. Ein guter Einstieg ist: „nexxt-change“, eine internationale Börse für Unternehmens-Nachfolgen. Hinter dem ungewöhnlichen Marktplatz stehen u. a. das Bundesministerium für Wirtschaft sowie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag.
Auch die Hilfe professioneller Unternehmensberater, die auf den Verkauf von mittelständischen Unternehmen spezialisiert sind, kann hilfreich sein. Sie gehen mit System vor: Zuerst ermitteln sie die realistischen Geschäftszahlen des Unternehmens. So kann man mögliche Schwächen vorab verbessern, um den Wert zu steigern. Die Umsatzrendite spielt bei der Bewertung eine wichtige Rolle. Aber auch viele weitere Faktoren wie das Sortiment, Kundenstamm, Wettbewerb, Marktentwicklung und Positionierung. In einem ausführlichen und detaillierten Exposé wird dann das Unternehmen vorgestellt. Die wichtigsten Kennzahlen und Fakten werden hier transparent aufgezählt und erläutert. Ein professionelles Exposé schafft beim Interessenten viel Vertrauen. Es ist die Basis für Preisverhandlungen.
In den Verhandlungen geht es darum, geschickt vorzugehen: Auf der einen Seite soll das Maximum herausgeholt werden. Auf der anderen
Seite soll ein qualifizierter und solventer Käufer nicht verprellt werden. Es kommt auf die Situation an, ob man seine Interessen durchsetzt oder auf bestimmte Forderungen verzichtet. Je nachdem, mit wem man es zu tun bekommt, unterscheiden sich die Verkaufsgespräche. Beispielsweise kann das Unternehmen an ein bestehendes Management-Team innerhalb des Betriebes abgegeben werden. In diesem Fall wissen die künftigen Firmenleiter schon einiges über das Unternehmen. Ihnen kann man in der Regel nichts mehr vormachen, die Kommunikation kann relativ offen gestaltet werden. Das ist anders bei Verhandlungen mit Externen als potenzielle Nachfolger. Hier ist eine Mischung von Mut und Vorsicht geboten. Denn es besteht neben der Chance auf einen guten Verkauf auch die Gefahr, dass die vermeintlichen Interessenten das Unternehmen nur aushorchen wollen, anstatt es zu kaufen.
Beim Verkaufsvertrag geht es um mehr als nur um den Kaufpreis. So sollte der Verkäufer darauf achten, dass er nach der Übergabe des Betriebs nur begrenzt haftbar ist für Dinge, die bis zur Übergabe geschehen sind – beispielsweise beim Umweltschutz, bei Genehmigungen, bei Steuern – insgesamt sind Zusicherungen oder Garantien sinnvoll einzuschränken.
Der Tag, an dem die Verantwortung in einem Betrieb an den neuen Chef endgültig übergeht, ist für viele Unternehmer ein entscheidender Tag in ihrem Leben. Viele fürchten sich davor, für andere ist er eine Art Erlösung und für dritte der Abschied vom Lebenswerk. Der fällt natürlich leichter, wenn sich in der eigene Familie jemand findet, der den Betrieb künftig leiten möchte. Klappt das nicht, ist in Ausnahmefällen auch die Gründung einer Stiftung als Alternative möglich. In jedem Fall sollte ein Firmeninhaber die Unternehmensübergabe rechtzeitig aktiv regeln. Eine vernünftige Vorbereitung braucht Zeit – im Schnitt drei bis fünf Jahre.

TEXT Hans-Werner Mayer

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