Familienfreundlichkeit

FOTO: MARISA HOWENSTINE

Ein übersehener Standortvorteil

Im Städteranking der Wirtschaftswoche belegte Darmstadt 2019 in Sachen Zukunftsfähigkeit den ersten Platz aller 71 kreisfreien Städte Deutschlands mit mehr als 100.000 Einwohnern. Keine Frage: Darmstadt ist eine attraktive Stadt – aber über die Familienfreundlichkeit sagt das leider wenig aus.

Es gibt in Deutschland immerhin 48 Orte, an denen es sich für Familien besser leben lässt als in Darmstadt. Es fehlt an bezahlbaren Wohnungen und weil Kinder teuer sind oder die Rente nicht reicht, können sich viele die Stadt nicht mehr leisten. Das ist das Ergebnis der aktuellen ZDF-Deutschlandstudie, die die Bedingungen für Familien und Senioren in bundesweit 401 kreisfreien Städten und Landkreisen untersucht hat.

Bei den Schlusslichtern findet sich Darmstadt in Sachen Geld und Wohnen: auf Rang 381 von 401 untersuchten Städten. Viel mehr Familien mit Kindern ziehen weg als her, denn mit 34 Prozent Mietausgaben vom verfügbaren Einkommen ist die Stadt teuer, das durchschnittliche verfügbare Einkommen von 36.222 Euro und auch die Kinder- und Geburtenrate erreicht nicht einmal einen mittleren Wert im Ranking.

Hier boomt der Arbeitsmarkt und der Bedarf an Wohnraum steigt – und das wird auch so bleiben. Die Hessische Landesregierung schätzt, dass 2030 etwa 10.000 Menschen mehr als heute hier leben werden. Aber der Wohnungsmarkt kommt schon jetzt nicht mehr mit.

Generell zeigt sich, dass wirtschaftlicher Erfolg einer Region nicht unbedingt mit Lebensqualität verknüpft sein muss. Darmstadt verfügt über eine flächendeckende gute Infrastruktur, eine durchgängige Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und gute Naherholungsmöglichkeiten in allen Stadtteilen. Doch vor allem für junge Familien wird es immer schwerer, sich von ihrem Einkommen eine adäquate Wohnung zu leisten. Einfamilienhäuser in stadtnaher Lage sind rar.

ABBILDUNG: ZDF Studie

In der Wissenschaftsstadt müssen auch beide Elternteile die Chance haben, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Weil eine gute Kinderbetreuung für Chancengleichheit steht, muss die Stadt im Krippen-, Kindergarten- und Schulkinderbereich weiter investieren. Das ambitionierte Ziel ist eine Versorgungsquote von 80 Prozent, dies würde gegenüber den heutigen Kosten von etwa zwei Millionen Euro eine Verdreifachung der Ausgaben bedeuten. Im Krippenbereich wird eine Versorgung von 50 Prozent angestrebt, da auch Darmstadt den Rechtsanspruch erfüllen muss. Außerdem unterstützt die Stadt das Landesprogramm zum Ausbau des Ganztagsbereichs an allen Grundschulen.

Fazit: Im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik funktioniert Darmstadt besser als viele vergleichbare Städte, hat aber in Teilbereichen noch Verbesserungsbedarf.

TEXT Hans-Werner Mayer
QUELLEN: ZDF und Wirtschaftswoche Prognos Studien