
Zahl der Medizinischen Versorgungszentren steigt
Während Einzelpraxen in Deutschland immer seltener werden, stieg die Anzahl der Medizinischen Versorgungszentren kontinuierlich auf fast 2.500 in den letzten Jahren. Auch die Zahl der Ärzte, die dort angestellt sind, nahm weiter zu. Lag deren Anteil im Jahr 2010 noch bei 6,5 Prozent, stieg er bis 2016 auf über elf Prozent.
Die Hauptbeweggründe für Ärzte sind sicherlich, dass sie kein Investitionsrisiko als Angestellte, ein festes Einkommen und eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben. Viele Mediziner schätzen auch die Möglichkeit, sich bei einer Behandlung schnell mit Kollegen abzustimmen und mitunter winken auch höhere Einnahmen, denn zumindest größere Zentren sind für die Krankenkassen attraktive Vertragspartner bei Sonderverträgen. Durch Arbeitsteilung werden zudem flexiblere Arbeitszeiten möglich. Das kommt Ärzten mit familiären Verpflichtungen entgegen.
Medizinischen Versorgungszentren können von Ärzten, Kliniken, Reha-Einrichtungen oder Apothekern gegründet werden, müssen jedoch immer unter ärztlicher Leitung stehen. Im Unterschied zu Gemeinschaftspraxen können medizinische Versorgungszentren in allen Gesellschaftsformen organisiert sein. Die Ärzte müssen dazu verschiedenen Fachgruppen oder Schwerpunkten angehören und dürfen nicht alle aus dem hausärztlichen oder dem psychotherapeutischen Sektor kommen. Ausdrücklich erlaubt ist jedoch, dass nur hausärztliche und fachärztliche Internisten mitwirken.
Eine gute Idee
Patienten wünschen sich eine wohnortnahe, jederzeit und ohne Wartezeit erreichbare Versorgung. Sie möchten den Arzt auch abends und an einem Samstag aufsuchen können. Diesen Patientenwünschen können medizinische Versorgungszentren sehr weit entgegenkommen, genauso wie dem Wunsch nach einer umfassenden gesundheitlichen Betreuung an einem Ort innerhalb kurzer Zeit. Doppeluntersuchungen sowie lange Wege zu Fachärzten und Unter
suchungen werden vermieden. Doch bislang funktionieren medizinische Versorgungszentren hauptsächlich in Großstädten, da es in ländlichen Gebieten viel zu wenige Fachärzte gibt, die sich derart zusammenschließen könnten.

Welche Nachteile gibt es?
Manche Experten gehen sogar davon aus, dass medizinische Versorgungszentren aus ländlichen Gebieten eher noch Ärzte in die Städte abziehen. Die teilweise bereits bestehende Mangelversorgung auf dem Land wird so noch verschlimmert. Da in den Versorgungszentren Ärzte auch angestellt arbeiten, kann es häufiger zu einem Wechsel der beschäftigten Personen kommen. Patienten müssen sich deshalb immer mal wieder auf ein neues Gesicht einstellen. Der Aufbau eines langjährigen persönlichen Vertrauensverhältnisses wie bei einem Hausarzt ist so kaum möglich. Eine Alternative zu den medizinischen Versorgungszentren kann der weitere Aufbau von Ärztenetzen sein. Hier arbeiten Mediziner fachübergreifend zusammen, sie bleiben allerdings unabhängig. Es gibt etwa 400 solcher Zusammenschlüsse bundesweit.
Welche Entwicklungen zeichnen sich ab?
Durch das GKV-Modernisierungsgesetz sind viele Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Befürchtet wird deshalb von der Bundesärztekammer eine Ökonomisierung, Kommerzialisierung und Fremdbestimmung der Medizin durch gewinnorientierte Konzerne, die als Außenseiter in die ambulante Medizin eindringen. Medizinische Versorgungszentren werden aber von angehenden Ärztinnen und Ärzten häufig als interessanter Arbeitgeber genannt und haben sich teilweise auch als ein wichtiges Bindeglied bei der Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung erwiesen, sind aber – entgegen anders lautenden Behauptungen – keine Selbstläufer. Um erfolgreich zu sein sind immer ein hohes Maß an Professionalität, Kontinuität sowie Kenntnisse des Standorts notwendig. Zwingend notwendig ist es auch Interessenskonflikte zu vermeiden. Sie können entstehen, wenn die Investoren nicht nur am Ergebnis der Versorgungszentren beteiligt werden, sondern ein darüber hinaus gehendes Interesse an bestimmten Umsätzen zum Beispiel durch die Belieferung mit eigenen Medizinprodukten oder die Abgabe von eigenen Geräten haben.
Text: Hans-Werner Mayer