
Der Megatrend unserer Zeit
Die Digitalisierung der Gesellschaft schreitet unaufhaltsam voran und verändert umfassend unser Leben privat und beruflich. In den letzten Jahren wird eine intensive Diskussion darüber geführt, ob die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Leben des Einzelnen und der Gesellschaft als Ganzem überwiegend positiv oder negativ zu bewerten sind und dabei liegen die Standpunkte weit auseinander.
Kaum eine andere technologische Errungenschaft bot wohl derart viele Möglichkeiten, sowohl für Gutes wie auch für Schlechtes eingesetzt zu werden. Die meisten Menschen empfinden die internationale Vernetzung als großen Vorteil. Heute können wir ohne großen Aufwand mit Freunden und Familienmitgliedern weltweit in regem Kontakt bleiben und Informationen jeder Art austauschen. Die private und berufliche Informationsbeschaffung ist sehr viel leichter zu bewerkstelligen. Auch in der Wissenschaft hat die Digitalisierung der Gesellschaft große Fortschritte ermöglicht: Erfolge in der Genom-Entschlüsselung, Voraussagen der Klimaforschung, komplexe Modelle in Physik und Chemie, die Entwicklung in der Nanotechnologie, die Gehirnforschung, komplizierte medizinische Eingriffe und ökonomische Simulationen wären ohne Computertechnologie nicht möglich.
Andererseits haben Nationen schon Spezialeinheiten eingerichtet, um Attacken abzuwehren, die auf Infrastrukturen wie Energie- und Wasserversorgung, auf Banken, Behörden, Unternehmen zielen und jüngst auch auf Meinungsbildung der Öffentlichkeit. Die massenhafte Sammlung, Speicherung und Übertragung digitaler Daten durch staatliche und wirtschaftliche Institutionen erschuf eine Form der Überwachung, wie sie in der Geschichte der Menschheit zuvor unbekannt war.
Die durch die digitale Revolution eröffneten technischen Möglichkeiten eines weitgehend gläsernen Bürgers werden langsam unheimlich und bedrohen die bekannten demokratischen Prozesse. In sozialen Netzwerken entfalten sich täglich hunderte von Shitstorms, radikale Hass-Postings von links- und rechtsextremistischer Seite, die das öffentliche Klima vergiften. Cybermobbing ist inzwischen so weit verbreitet, dass jeder dritte Jugendliche in Deutschland davon betroffen ist.
HÖCHSTE ZEIT FÜR DIE DIGITALE EMANZIPATION
Wir werden niemanden zu Hilfe rufen können, der diese Bedrohungen von uns nehmen wird. Wir bleiben auf uns gestellt und können sofort damit anfangen, Eigenverantwortung zu übernehmen und selbstbestimmt zu entscheiden, welche Daten wir hergeben und wo und wie wir uns schützen. Der beste Schutz gegen die Auswüchse ist selbstverantwortlich mit unseren Daten umzugehen. Niemand zwingt uns dazu, ständig erreichbar zu sein, unentwegt zu posten, jede Nachricht umgehend zu beantworten und unsere privaten Daten willkürlich in der virtuellen Welt zu verteilen.
Wir haben alle mitbekommen, wie sich die Wirtschaft durch die Digitalisierung und Globalisierung verändert hat. In Zukunft werden vernetzte Lösungen immer mehr traditionelle Geschäftsmodelle zum Einsturz bringen. Viele Menschen fühlen sich davon überfordert, weil ihre ökonomischen und sozialen Grundlagen bedroht werden. Die Angst vor der Nutzlosigkeit geht um. Die wirtschaftliche Basis der Betroffenen schrumpft, aber gleichzeitig wird ihre mediale Durchschlagskraft gesteigert. Erstmals in der Weltgeschichte verfügt der Wähler über einen Rückkanal zu den Machtzentralen, der es ihm ermöglicht Sehnsüchte, Ängste und Forderungen unmittelbar zu adressieren. Viele Menschen besitzen Kameras, Mikrofone und die technische Reichweite sich der Welt mitzuteilen. Und diese neue Form der Verständigung überträgt die politische und publizistische Macht von oben nach unten.
Dadurch verlieren die klassischen Medien und Verlage ihre Meinungsmacht. Sie begleiten nun einen Prozess, den sie früher gesteuert haben. Seit wir via Twitter, Facebook, Instagram und WhatsApp vernetzt sind, gibt es keine Trennung mehr zwischen Sender und Empfänger. Deshalb brauchen wir Medien, wie sie bereits John F. Kennedy eingefordert hat: „Kritisch sein und Fakten so aufzubereiten, dass die Bürger zwischen Tatsachen und Meinungen unterscheiden können. Nur so ist Demokratie möglich.“
Hatten die Denker der Aufklärung noch geglaubt, die Vernunft sei die Grundlage der Demokratie, so scheint heute erfolgreiche Politik eben kein auf Vernunft und Wahrheit basierendes Geschäft, sondern das Ergebnis geschickter Manipulation mit „FakeNews“. Daran seien die sozialen Medien schuld, behaupten viele und fordern laut: Reguliert das Netz! Doch das Netz macht nur sichtbar, was an Politikverdrossenheit in der Gesellschaft vorhanden ist.*
Alle großen Errungenschaften waren immer Fluch und Segen zugleich. Es kommt immer auf die Perspektive und die Anwendung an. Die Technik an sich ist also zunächst neutral. Der ethische Aspekt kommt erst hinzu, wenn die Technik als Mittel für einen konkreten Zweck eingesetzt wird. Ob „gut“ oder „schlecht“ hängt lediglich davon ab, wie man den Zweck moralisch bewertet. Und wenn wir die Möglichkeiten der Digitalisierung vernünftig nutzen, stehen wir nicht am Ende der Demokratie, sondern fangen erst richtig damit an.
„DAS ÜBEL KOMMT NICHT VON DER TECHNIK, SONDERN VON DENEN, DIE SIE MISSBRAUCHEN.“ Yves Cousteau
Quellennachweis: Weltbeben, Leben im Zeitalter der Überforderung von Gabor SteingartText: Hans-Werner Mayer