
Was kommt, was bleibt?
Wir Bürger eines reichen Landes hielten uns für unangreifbar. Lebten in Frieden, sozial abgesichert, mit Vollbeschäftigung und sicheren Renten. Doch dann kam der Virus und viele Dinge im Leben bekommen eine neue Bedeutung und sind Ersatz für das, was noch vor ein paar Wochen völlig normal erschien.
In jeder Krise stecken Chancen, auch nach der Corona-Pandemie. Da kommt so ein Virus daher, und auf einmal bekommt der Planet eine Verschnaufpause. Wir stellen fest, dass die Straßen wesentlich leerer sind. So viel CO2 Ausstoß fällt auf einmal weg, überall auf der Welt. Das Virus könnte also dazu beitragen, dass sich die Erderwärmung verlangsamt.
Ist es nicht unglaublich, auf was plötzlich so alles verzichtet werden kann? Wie viele Geschäftsreisen allein schon ersetzt werden durch Videomeetings? Wie viele Menschen plötzlich doch von Zuhause am Laptop arbeiten können. Das gelingt allerdings nur durch einen hohen Grad der Digitalisierung. Es holpert hier und da, aber grundsätzlich hat es das Virus geschafft, was viele Manager und Digitalisierungsberater nicht geschafft haben: Wir alle werden digitaler. Schulen und staatliche Hochschulen schaffen immer mehr digitale Lehrangebote und kreieren neue Weiterbildungsmöglichkeiten — alles in digitaler Form.
Deutschland hat die Entschleunigung entdeckt und jetzt wächst bei vielen Menschen der Wunsch, dass davon auch nach der Corona Krise ein Stück Solidarität erhalten bleibt. Sich um die älteren Menschen sorgen, das Personal in den Krankenhäusern unterstützen, in den Geschäften geduldig sein. Empathie und Hilfsbereitschaft dürfen wir gerne nach der Krise beibehalten. So funktioniert eine intakte Gesellschaft – nicht mit Ellenbogenmentalität und Selbstoptimierung.
Wem es zuvor nicht schon klar war, dem wird spätestens jetzt noch einmal gezeigt, wie unverzichtbar einige Berufe in unserer Gesellschaft sind. Es sind die Menschen, die derzeit das Land am Laufen halten. Vielleicht ist das eine Chance, diese Berufe endlich aufzuwerten und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das Virus hat uns allen verdeutlicht, was wir alle schon geahnt haben. Das, was in fernen Ländern geschieht, geht uns alle an. Daraus folgt, dass wir den Virus auch nur gemeinsam bekämpfen sollten. Man kann aus der Krise lernen, dass man aufeinander angewiesen ist. Denn die Krise ist auch ein Weckruf an die Menschheit, mit Natur und Umwelt anders umzugehen.
Ist nicht alles viel entspannter, wenn wir lernen mit dem zufrieden zu sein, was wir sind und haben? Konzentration auf das, was wichtig ist: Die Familien und der Freundeskreis – die Isolation und die Einschränkungen lehren uns, sie besonders wertzuschätzen.
Aber um wirklich unseren Konsum und den Lebensstil grundsätzlich zu verändern braucht es Mut und Optimismus. Sind doch extrem viele Arbeitsplätze vom Wachstum abhängig und die Folgen für die Wirtschaft wären enorm. Vielleicht kann man die Wirtschaft aber auch sanfter und nachhaltiger verändern und vermutlich geht es auch ohne großen Verzicht. Denn auf Dauer ist für die Umwelt nicht viel gewonnen, wenn wir nach der Krise so weiter machen wie bisher, um die Verluste schnell hereinzuholen und die Börsen anzukurbeln.
Der große Gewinner der Krise ist der Onlinehandel, aber es muss nicht immer Amazon sein. Auch die inhabergeführten kleinen Geschäfte können mit regionalen Shops ihren Umsatz stärken. Beim Einkaufen wird sich der Trend zum Regionalen verstärken, wir werden wissen wollen, wo etwas herkommt und werden eher skeptisch, wenn etwas zu günstig ist. Immer nur billig – das geht auf Kosten der Natur und der Menschen in anderen Erdteilen.
„Ein Auslöser der Pandemie liegt auch am Raubbau an der Natur, in der Rodung der Regenwälder. Deswegen müssen wir umdenken und können nicht einfach zur Normalität der Globalisierung zurückkehren. Lebten alle Menschen auf der Welt wie die Deutschen mit einer ständigen Steigerung des Verpackungsmülls und der bisherigen Art zu wirtschaften, bräuchten wir zwei Erden, sagte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
TEXT HANS-WERNER MAYER