Der lange Weg zum Mini-Abdruck

Das steht im Klimaschutzplan

Vor genau vier Jahren haben die Stadtverordneten beschlossen, das Klimaschutzkonzept neu aufzulegen. Ziel ist die Treibhausgas-Neutralität von Darmstadt bis 2035. Dann soll jeder Darmstädter nur noch eine Tonne Treibhausgas produzieren – 2018 waren es neun. Diese Aufgabe ist gigantisch.

Zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens ist es aber auch zentral, die Weichen für eine Treibhausgasneutralität der Gesamtstadt bis 2035 zu stellen. Diese Ziele sollen in der Neuaufstellung des integrierten Klimaschutzkonzeptes abgebildet werden und mit konkreten Maßnahmen hinterlegt werden. Klimaschutz wird dabei immer auch unter sozialen Aspekten betrachtet. Das bedeutet vor allem, Emissionen zu reduzieren und möglichst wenig kompensieren zu müssen. Treibhausgas-Neutralität heißt nicht null Ausstoß, sondern Ausgleich oder Kompensation unumgänglicher Emissionen, also ein Gleichgewicht zwischen Output und Abbau.

„Mit dem Beschluss ging die Zielsetzung einher, in den Bereichen, auf die der Magistrat direkten Einfluss und Handlungsoptionen hat, die CO2-Emissionen bis 2035 auf Netto-Null zu senken“, heißt es im Klimaschutzplan der Stadt. Dies wurde auf alle treibhauswirksamen Gase wie Methan, das zum Beispiel bei der Viehhaltung entsteht, ausgeweitet. Um ihre Wirkung vergleichbar zu machen, werden sie in CO2-Äquivalente umgerechnet. Gegenüber dem Basisjahr 1990, wo der CO2-Äquivalenz-Fußabdruck pro Kopf in Darmstadt 14,8 Tonnen im Jahr betrugen, soll der Ausstoß 2035 nur noch eine Tonne betragen. Das ist der Orientierungswert.

„Die Klimakatastrophe ist trotz aller aktuellen Krisen die große alles überlagernde Problemlage und der Sommer 2022 stellte wie zum Beweis nach den für die Stadtnatur bereits verheerenden Sommern 2018 und 2019 erneut negative Rekorde auf. Dies gilt sowohl für die extrem hohen Temperaturen im Stadtgebiet als auch für die Anzahl der Hitzetage – zusätzlich konnten nahezu keine Niederschläge verzeichnet werden. Als Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt gehen wir deshalb voran und werden die Treibhausgas-Emissionen in den Bereichen, auf die wir als Magistrat direkten Einfluss haben, bis zum Jahr 2035 auf null senken“, bringt Oberbürgermeister Jochen Partsch das klare und ambitionierte Ziel auf den Punkt. „Magistrat und die kommunale Verwaltung übernehmen mit dieser ambitionierten Zielsetzung eine Vorbildfunktion und werden die kommunalrechtlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um die Weichen für eine Treibhausgasneutralität der Gesamtstadt zu stellen und die gesamte Stadtgesellschaft für diesen Transformationsprozess zu aktivieren“, so Partsch weiter.

Darmstadt wächst seit mehr als 20 Jahren kontinuierlich, ist Deutschlands Pendlerhauptstadt mit einem Überschuss von 40.000 Einpendlern – hat also eine Tagesbevölkerung von 200.000 Menschen – und ist mit seiner Lage am Rande der Oberrheinischen Tiefebene eine der wärmsten Städte in Deutschland. Der aktuelle Hitzesommer zeigt die Problematik deutlich, die Lage wird sich Prognosen zufolge in dieser wasserarmen, versiegelten Stadt in den kommenden Jahren verschärfen.

Im Jahr 2020 wurde der Klimabeirat neu aufgestellt mit Vertretern aus rund 60 Institutionen von Politik, Verwaltung und Stadtwirtschaft bis hin zu Forschung, Wirtschaft und Umweltinitiativen. Darunter auch Klimaentscheid, die 2019 mehr als 5.000 Unterschriften für den Klimaumbau der Stadt gesammelt hatten und 2020 an einem Formfehler mit ihrem Bürgerentscheid gescheitert waren. Wie zuvor beim abgelehnten Radentscheid versprach die Stadtverwaltung die meisten Forderungen ins Klimaschutzkonzept aufzunehmen. Gleichzeitig beschlossen die Stadtverordneten ein Sofortprogramm zum Klimaschutz, um nicht bis zur Erstellung des Klimaschutzplans untätig zu bleiben. Auch daraus stammen etliche Maßnahmen zur Verkehrswende wie Straßenbahnausbau, Lichtwiesenbahn, Heinerliner Klimaticket für Neubürger, das Sonderinvestitionsprogramm Radverkehr, den Ausbau des Radwegenetzes und natürlich den Aufbau eines neuen Stadtverwaltungsamtes, nämlich dem für Klimaschutz und Klimaanpassung.

Im Klimaschutzplan 2035 werden die erarbeiteten Maßnahmen dargestellt, relevante Zusammenhänge und aufeinander aufbauende Prozesse aufgezeigt und in für die Öffentlichkeit nachvollziehbare und anschaulich illustrierte Transformationspfade überführt. Grundgedanke ist kommunales Handeln mit den Aktivitäten und Interessen aller anderen Akteurinnen und Akteure in der Stadt zu verbinden. In dem Maßnahmenkatalog sind neben neu entwickelten Maßnahmen die relevanten Beschlüsse der vergangenen Jahre eingeflossen. Hierzu gehören neben »Sofortprogramm Klimaschutz« das erfolgreiche Photovoltaik-Förderprogramm oder auch die zahlreichen Maßnahmen im Bereich der Mobilität. 

Zudem votierte das Stadtparlament für einen Klimavorbehalt: Alle Vorhaben sind auf ihre Auswirkungen auf Stadt- und Globalklima zu prüfen – und im Zweifel zu verwerfen. Denn, so steht es im Klimaschutzplan, „aus Sicht des Magistrats der Wissenschaftsstadt Darmstadt gilt grundsätzlich Klimaschutz vor Klimaanpassung“, dies sei auch eine Frage der globalen Klimagerechtigkeit.

Um den Überblick nicht völlig zu verlieren, definiert die Stadt zunächst zwei Handlungsbereiche, nämlich einmal die Handlungsfelder, auf die sie direkten Einfluss hat. Das sind alle städtischen Gebäude und alle Eigenbetriebe von den Bädern bis zum EAD, dazu aber auch über die Gesellschaftermehrheit die GmbHs der Stadtwirtschaft wie die Sportstätten oder Entsorgungsbetriebe. Die Aktientöchter der Stadt – Heag Holding, Bauverein, Entega – hingegen fallen nicht darunter, wie auch Heag Mobilo, die zu 26 Prozent dem Landkreis Darmstadt-Dieburg gehört. Wie die Gesamtstadt werden die Aktientöchter dem indirekten Handlungsbereich zugeordnet. Der ist in fünf Handlungsfelder aufgeteilt: Mobilität, Energie, Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaft und Stadtentwicklung. Für jedes dieser Handlungsfelder werden konkrete Maßnahmen definiert. Mit Zielgruppe, Verantwortlichkeit, Handlungsschritten, Erfolgsindikatoren, Zeitplanung, Personalbedarf, Kosten und Einsparpotenzial.

Allein die Stadtverwaltung will in ihrem direkten Handlungsfeld so bis 2035 gut 120.000 Tonnen Treibhausgasemission einsparen. Die Gesamtstadt hat im Basisjahr 1990 noch 2.251.262 Tonnen CO2-Äquivalent produziert. Im Jahr 2018 waren es mit insgesamt 1.464.424 Tonnen schon deutlich weniger. Der größte Ausstoß entfiel 2018 mit 28 Prozent auf die Industrie, gefolgt von Verkehr mit 27 Prozent und den Haushalten (25 Prozent). 18 Prozent produzierten Gewerbe, Handel und Dienstleistungen, zwei Prozent die Kommunalen Einrichtungen. Bei den Energieträgern nahm 2018 Strom mit 33 Prozent den größten Anteil ein, gefolgt von Kraftstoffen mit 25 Prozent sowie Erdgas und Flüssiggas mit 24 Prozent. Den vierten Platz mit einem Anteil von rund acht Prozent machten Wärmenetze, also die dezentrale Wärmeerzeugung aus. Das entspricht auch dem Emissionsanteil von Kohle, Heizöl und sonstigen konventionellen Energieträgern. Allein mit Gas und Kraftstoff stellen die fossilen Energieträger weit mehr als die Hälfte des Emissionsanteils – und da ist der Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken noch gar nicht eingerechnet.

„Die Grenzen kommunalen Handelns“ seien stets zu berücksichtigen, heißt es im Klimaschutzplan. Denn bei allen Anstrengungen der örtlichen Beteiligten sei klar: „Es braucht zusätzlich die Unterstützung von Land, Bund und der Europäischen Union – und zwar sowohl in finanzieller als auch in politischer Hinsicht.“

Text Hans-Werner Mayer

Vision Rheinstraße. Grafiken: ©Nachhaltigkeitsstrategie Hessen und Stadt Darmstadt