DATEN REVOLUTIONIEREN DIE MEDIZIN

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Mehr Chancen als Risiken

Aktuell gehört das Gesundheitswesen zu den am wenigsten digitalisierten Branchen in Deutschland. Die Folge sind nicht Geldmangel oder geringes Wachstum. Dabei kann die Digitalisierung für eine sichere und schnelle Kommunikation und mehr Effizienz sorgen und damit die Chancen bieten, die medizinische Versorgung zu verbessern.

Ob Fitness-Tracker, Online-Sprechstunde oder elektronische Patientenakte: Die Bundesbürger stehen der Digitalisierung des Gesundheitswesens positiv gegenüber. Das hat eine Umfrage ergeben, die der Digitalverband Bitkom zusammen mit der Bayerischen TelemedAllianz (BTA) durchgeführt hat. So nutzen heute bereits 45 Prozent all jener, die ein Smartphone besitzen, Gesundheits-Apps. Solche Apps zeichnen etwa Körper- und Fitnessdaten auf, um die eigene Gesundheit zu verbessern. Großes Interesse zeigen die Deutschen außerdem an der Digitalisierung ihrer Patientendaten. „Die digitale Übertragung von Unterlagen erleichtert die Kommunikation zwischen Versicherten, Hausarzt, Facharzt und Krankenhaus und erspart Patienten viele Wege“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Die Digitalisierung des Gesundheitswesens birgt ein riesiges Potenzial für eine bessere und effizientere Versorgung. Eine leistungsfähige Patientenversorgung funktioniert künftig nur noch mit digitaler Unterstützung.“

Aber auch praktische digitale Services wie die Online-Terminvereinbarung und die Online-Erinnerung an Termine oder fällige Vorsorgeuntersuchungen schätzen die Bundesbürger: „Viele Patienten würden gerne digitale Gesundheitsangebote in Anspruch nehmen. Gleichzeitig ist das Gesundheitswesen bisher eher wenig digitalisiert. Oftmals scheitert es daher noch am Angebot“, so Rohleder. Die Komplexität des Gesundheitssystems mit all seinen Beteiligten – Hersteller und Entwickler neuer Technologien, Leistungserbringer, Krankenkassen und Patienten – sei dabei die größte Hürde. „Mit dem E-Health-Gesetz wurde ein wichtiger Grundstein gelegt, jetzt muss die Digitalisierung im Gesundheitswesen endlich Fahrt aufnehmen. Krankenkassen, Ärzte und Kliniken müssen sich schneller bewegen und den Herausforderungen stellen“, so Prof. Dr. Siegfried Jedamzik, Geschäftsführer der Bayerischen TelemedAllianz.

Auch die Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist im Wandel. Über Gesundheit wird zunehmend im Netz diskutiert. Jeder fünfte Internetnutzer recherchiert sogar mindestens einmal im Monat im Netz zu Gesundheitsthemen. Zwei Drittel der Befragten sagen, dass sie durch die Internetrecherche zu Gesundheitsthemen wertvolle Tipps erhalten. Knapp jeder Zweite meint, dass das Internet dabei hilft, souveräner gegenüber dem Arzt aufzutreten. Bei jedem fünften Internetnutzer hat die Online-Recherche sogar schon einmal Auswirkungen auf die Behandlung gehabt: 20 Prozent geben an, dass ihnen von ihrem Arzt schon ein Medikament oder eine Therapie verschrieben wurde, weil sie nach einer Internetrecherche darum gebeten haben. Zwölf Prozent haben schon ganz auf die Einnahme eines Medikaments verzichtet, nachdem sie im Internet dazu recherchiert hatten. Die Gesundheitsrecherche im Netz hat zur Folge, dass Patienten mündiger werden und durch die Internetrecherche aufgeklärter in das Arztgespräch gehen.

Immer mehr Deutsche werden immer älter. Dadurch nimmt die Zahl altersbedingter chronischer Erkrankungen zu. Dem steht insbesondere in ländlichen Regionen bereits heute ein Ärzte- und Pflegemangel gegenüber. Moderne Technik ermöglicht dabei eine medizinische Versorgung auch dort, wo die Infrastruktur dünn und Ärzte überlastet sind. Die Telemedizin hat das Potenzial, die Lebensqualität und medizinische Versorgung vieler Patienten zu verbessern. So lange wie möglich zu Hause bleiben zu können, wird durch die telemedizinische Überwachung möglich. Katalysator für die Telemedizin kann die digitale Patientenakte sein. Rund zwei Drittel wollen die elektronische Patientenakte nutzen. In ihr sollen Daten, die in Arztpraxen, Kliniken oder anderen Gesundheitseinrichtungen anfallen, zukünftig elektronisch gespeichert werden. Vorhandene Daten können so verstärkt – auch mobil – genutzt werden. Sofern gewährleistet ist, dass ihre Gesundheitsdaten bestmöglich geschützt sind, sind die Menschen hierzulande offen dafür, ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Die Mehrheit der Bundesbürger möchte selbst darüber bestimmen, welche Ärzte Zugriff auf die digitalen Daten in ihrer E-Akte haben. 60 Prozent geben aber auch an, dass sie damit einverstanden wären, dass behandelnde Ärzte die Daten einsehen und an einen anderen behandelnden Arzt weitergeben. 32 Prozent würden diese Entscheidung auch an Familienangehörige übertragen, 24 Prozent wären damit einverstanden, dass die Krankenkasse die Gesundheitsdaten kontrolliert. 

Auch Ärzte stehen der Digitalisierung grundsätzlich offen gegenüber. Das zeigt der DAK-Digitalisierungsreport 2018. Sie sind überwiegend der Meinung, dass digitale Angebote wie Online-Coaching, Gesundheits-Apps, Videokonferenzen und selbst reine Online-Konsultation von Ärzten in einem Callcenter sinnvolle Szenarien sind, die sie auch selbst anwenden würden, wenn es möglich wäre. Allerdings ist beispielsweise ein ortsunabhängiger Austausch zwischen Arzt und Patienten per Videokonferenz derzeit nur eingeschränkt möglich: Das geltende Fernbehandlungsverbot sieht vor, dass ein Arzt einen Patienten persönlich untersucht haben muss, bevor er Telemedizin einsetzen darf. Die größte Herausforderung, die starke Regulierung, wird auf absehbare Zeit bestehen bleiben – bei so sensiblen Themen wie Gesundheit und Datenschutz in großen Teilen auch zu Recht. Die hohen Anforderungen an Datensicherheit können aber bei sinnvoller Anwendung auch für eine größere Akzeptanz von digitalen Anwendungen sorgen. Den großen Vertrauensvorschuss, den Ärzte genießen, gilt es hier zu nutzen.

Text: Hans-Werner Mayer