
Sicher durch die Stadt
Die Initiierung des Bürgerbegehrens »Radentscheid Darmstadt« führte 2018 dazu, dass die Stadt ein Sofortprogramm aufgelegt hat: »4×4 Millionen für den Radverkehr». Das entspricht einer Pro-Kopf-Investition von 26 Euro pro Jahr in den nächsten vier Jahren. Damit nimmt die Zukunft als fahrradfreundliche Stadt langsam Gestalt an.
Auf der mittleren Rheinstraße kann man seit Wochen besichtigen, wie nach und nach alle Hauptverkehrsstraßen umgebaut werden. Hier hat die Kommune auf einigen 100 Metern eine Radverkehrsanlage gestaltet, die als Maßstab für die Umsetzung des „Qualitätsradnetzes“ gilt und damit Modellcharakter hat: ein komfortabler und farblich gekennzeichneter Radweg, der vom Bürgersteig getrennt und durch Poller vor Autofahrern geschützt ist. Auf diesem Stück fährt es sich mit dem Fahrrad sehr entspannt. Und damit ganz anders als auf vielen anderen Straßen der Stadt.
Für das ambitionierte Programm zur „Verkehrswende“ vom Auto aufs Rad hat es mehrere Anstöße gegeben, darunter tragische. In den vergangenen Jahren sind in Darmstadt mehrere Radfahrer tödlich verunglückt. Das hat der Initiative von Darmstädtern für einen Radentscheid mit dem Ziel, die Situation für Radfahrer zu verbessern, im vergangenen Jahr eine zusätzliche Dringlichkeit verliehen. In kurzer Zeit konnten die Initiatoren 11.504 Unterschriften für das angestrebte Bürgerbegehren sammeln. Dazu ist es nicht gekommen, weil aus rechtlichen Gründen die Stadtverordneten das Begehren nicht zuließen. Die Fraktionen beschlossen aber das Programm „4×4 für den Radverkehr“ mit einem Volumen von insgesamt 16 Millionen.
Diese hohe Summe birgt großes Potential für die Verkehrswende. Gute Radinfrastruktur führt zu mehr Radverkehr und damit zu besserer Stadtluft, weniger Staus und Lärm, mehr Platz und Aufenthaltsqualität. Dies gelingt aber nur, wenn das Programm mit entsprechenden qualitativen Inhalten gefüllt wird. Bislang hat die Stadt auf Strategien wie Führung von Radfahrenden im Mischverkehr mit Autos und Fußgängern gesetzt. Das führt zu Konflikten und Unmut. Radfahrstreifen und Schutzstreifen sind keine zeitgemäßen Radverkehrsmaßnahmen.
Etwa 60 Prozent aller Verkehrsteilnehmer fahren nicht Rad, weil es ihnen zu umständlich, zu langsam, zu unbequem oder zu unsicher ist. Lückenhafte Infrastruktur voller Hindernisse und eine Führung auf ungeschützten Wegen hält Menschen vom Radfahren ab. Gerade für diese Zielgruppe braucht es eine durchdachte Radinfrastruktur. »Darmstadt fährt Rad« schreibt im Sinne einer Radverkehrsförderung, deren Absicht es vor allem ist, Menschen, die noch nicht fahren, zum Radfahren zu bewegen.
Gerade die Niederlande und Dänemark nehmen Radfahrende als besonders wichtigen Teil einer nachhaltigen Mobilität ernst. Sie sind Vorreiter im Design einer Radverkehrsinfrastruktur, die ein bequemes, intuitives, attraktives und sicheres Radfahren ermöglicht. Viele gute vorgedachte Ideen, von denen Deutschland profitieren kann. So wie geschützte Kreuzungen. Sie sind kein theoretisches Konzept, sondern werden in den Niederlanden fast überall gebaut. Kleine Verkehrsinseln in den Ecken erzeugen den nötigen Sichtkontakt zwischen Autofahrenden und Radfahrenden. Rechtsabbiegen, geradeaus fahren und Linksabbiegen sind kein Problem. Wenn die Ampeln intelligent geschaltet sind, kann man in einem Zug links abbiegen. Radfahrende bekommen einen kleinen Moment früher grün als der Kraftverkehr. So können sie die Kreuzung sicher verlassen, bevor das erste Fahrzeug rechts abbiegt. Konflikte werden intelligent vermieden.
TEXT Hans-Werner Mayer