BUCHBLOGS

Foto: Erik Mclean

Die unzähligen Herausforderungen, die in der ersten Hälfte des Jahres im Großen wie im Kleinen bewältigt wurden, lassen uns erstaunt zurückblicken und feststellen: Not macht tatsächlich erfinderisch. Wer hätte letztes Jahr gedacht, dass eine Großveranstaltung wie die Frankfurter Buchmesse ins Internet verlagert werden kann: Alle Talks, Interviews, Lesungen und kreative Literaturprojekte der Buchmesse 2020 wurden live auf YouTube ausgestrahlt und sind als Aufzeichnungen dort zu finden. Der kritische Literaturdiskurs hat dank Social Media seinen Weg raus aus den Universitäten und rein in die breiten Massen gefunden. Dafür wird seit 2017 in Partnerschaft mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels der Buchblog Award verliehen. Auch Hörspiele, die mit Erfindung des Radios in den 1920er Jahren groß wurden, haben im Podcast Format ein mehr als erfolgreiches Comeback gefeiert.

Unser neuer Alltag bringt neue Anforderungen mit sich und das spiegelt sich in den Entwicklungen der Medienbranche wieder. Auch wenn einige dieser Neuerungen aus einer Not heraus entstanden sind, sind bei weitem nicht alle davon Notlösungen: Buchblogs und Podcasts sind gekommen um zu bleiben, soviel ist sicher.

Illustration / Foto: www.literaturpalast.de

LITERATURPALAST

Der Buchblog Award 2020 in der Kategorie Bester Buchblog ging im Oktober an Tino Schlench. In der DDR geboren, nach Wien übergesiedelt und im Internet ansäßig, bloggt Schlench, mit Sachverstand und mehr als einer Prise Humor, zuerst nur von Instagram aus. Der Osten hat Tino Schlench dabei nie losgelassen, oder er den Osten nicht. Südosteuropa bleibt der inhaltliche Fokus und das Steckenpferd von Literaturpalast. Hier hat Schlench seine Nische im buchbesessenen Winkel des Internets nicht nur gefunden, er hat sie renoviert, eingerichtet und ein Bäumchen in ihr gepflanzt.

Mittlerweile gibt es, dank der Hilfe eines IT-begabten Freundes, eine Literaturpalast Homepage, die inhaltlich sowie optisch mit Originalität glänzt und auf der seit kurzem auch der neue Podcast verlinkt ist. Während die Idee für den Blog quasi vom Boden eines Sektglases zu ihm hoch zwinkerte, entstand die Inspiration für den Podcast aus den pandemiebedingten Umständen des vergangenen Jahres. Was im Frühjahr als gemütliche (und trostspendende) Instagram Live Wohnzimmer Lesung begann, hat seit Juni ein festes Format auf allen gängigen Podcast Plattformen. Die Scherenschnitt Grafik von Literaturpalast Audiospur spiegelt die Lockdown Home Office Vibes des Frühlings wieder: Schlench im Sessel mit Weinglas und Buch — die Jeans wirkt hier etwas fehl am Platz, aber darüber sehen wir großzügig hinweg.
Zu finden hier: www.literaturpalast.at

Foto: https://www.instagram.com/literaturensohn/

LITERATURENSOHN

Coco Meurer, Finalistin in der Buchblog Award Kategorie Bester Newcomer 2020, begann erst im Februar diesen Jahres, aus Rücksicht auf Freunde und Bekannte, ihren Literaturwahn von ihrem privaten auf einen separaten Instagram Account auszulagern. Eben jene Freunde wurden selbstverständlich auf mehr oder wenig freiwilliger Basis die erste Gefolgschaft von Meurers Blog Literaturensohn. Wie Meurer im Buchblog Award 2020 Interview augenzwinkernd bemerkt “klassische win/lose-situation unter Freunden”. Was Literaturensohn besonders macht, ist die Unterteilung in die drei Söhne. Ohne dabei zu urteilen, ob ein Buch schlecht, gut oder lesenswert ist, kategorisiert Coco Meurer Bücher in Gelegenheitslesestoff (Sohn 1), Vielpendlerfutter (Sohn 2), und “urban-intellektueller-hipster-shit” (Sohn 3). Bücher, die aus allen drei Kategorien rausfallen, aber einfach unheimlich gut auf dem Wohnzimmertisch aussehen, finden ihr Plätzchen in der Kategorie “Sohn schön”. Schon schön, so ein wertfreier Literatur Space, da will man doch glatt das eigene Bücherregal nach dem Söhne-System umsortieren. Zu finden hier: https://www.instagram.com/literaturensohn/

TEXTE: Katharina Oehmichen