6 Fragen an Robert Lippmann

Foto: © IHK Darmstadt / Klaus Mai

HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER DER INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER (IHK) DARMSTADT RHEIN MAIN NECKAR

Herr Lippmann, Sie sind von der Vollversammlung der IHK Darmstadt als Nachfolger von Dr. Uwe Vetterlein als Hauptgeschäftsführer bestellt worden und haben Ihr Amt am 1. November 2021 angetreten. Welche Ziele und Aufgaben stehen mittel- und kurzfristig auf Ihrer Agenda?

Aktuell steht fast zwangsläufig die Unterstützung unserer Mitgliedsunternehmen bei der Krisenbewältigung im Fokus. Die Nachwirkungen von Corona sind noch nicht verdaut, gleichzeitig führen der Krieg in der Ukraine und die explodierenden Energiekosten zu neuen Verwerfungen. Aber auch abseits akuter Krisen befinden sich Wirtschaft und Gesellschaft in einem umfassenden Veränderungsprozess: Demografischer Wandel, digitale Transformation, Klimawandel und Nachhaltigkeit verändern gewohnte Strukturen und bringen Herausforderungen wie Chancen. Die Suche nach Antworten hierauf führt schnell zu der Frage, welche gesellschaftliche Rolle Unternehmen künftig zukommen wird. Ich verstehe die IHK dabei als Impulsgeberin, die auf der einen Seite ihre Mitgliedsbetriebe dazu befähigt, mit diesen Umfeldveränderungen umgehen zu können, und auf der anderen Seite auf die politische Gestaltung der Rahmenbedingungen einwirkt.

Der Umbau zu einer klimaneutralen, regionalen Wirtschaft und der zunehmende Fachkräftemangel sind die wohl größten Herausforderungen für viele der 65.000 Mitgliedsunternehmen. Mit welchen Maßnahmen kann die IHK hierbei helfen und unterstützen?

Es stimmt, beide Themen beschäftigen unsere Unternehmen massiv. Neben der konkreten, lösungsorientierten Politikberatung, die wir hier als IHK-Organisation vor Ort in der Region, aber im Netzwerk eben auch auf Landes- und Bundesebene betreiben, unterstützen wir unsere Mitgliedsunternehmen unter anderem mit Informationsveranstaltungen, Beratungsgesprächen, Leitfäden, aber auch Austauschformaten und Netzwerken wie unserem Klimaschutz- und Energieeffizienznetzwerk ETA-Plus Südhessen. Gegen den absehbaren Fachkräftemangel stemmen wir uns mit aller Macht und mit einer Vielzahl von Angeboten: Das reicht vom Azubi-Speed-Dating, bei dem Unternehmen und Auszubildende unkompliziert zusammenfinden, über virtuelle Betriebsbesuche, Ausbildungsbotschafter, die jungen Menschen von ihren Erfahrungen berichten, bis hin zur Gründung von MINT-Zentren, in denen Kindergartenkinder und Grundschüler für naturwissenschaftlich-technische Themen begeistert werden.

Zuvor waren Sie Geschäftsführer des Hessischen Industrie- und Handelskammertages (HIHK), der die gemeinsamen Interessen der zehn hessischen IHKs gegenüber der Landesregierung vertritt. Worin unterscheiden sich diese beiden Aufgaben?

Der Wechsel von der HIHK in Wiesbaden zur IHK Darmstadt ist zunächst einmal ein Perspektivwechsel. In Wiesbaden ging es darum, auf politischer Ebene Verständnis für die Bedarfe der Wirtschaft zu erreichen und mit konkreten Vorschlägen Rahmenbedingungen mitzugestalten. Dagegen ist die IHK Darmstadt an den einzelnen Betrieben und den regionalen Gegebenheiten ein ganzes Stück näher dran und wirkt hier in Südhessen beispielsweise durch die aktive Vernetzung von Wirtschaft, Verwaltung und Hochschulen. Am Ende geht es auf beiden Ebenen aber um das gleiche Ziel: unsere Wirtschaft zu stärken und zukunftsfähig zu machen.

Sie kommen aus einer mittelständischen Unternehmerfamilie. Wie hat Sie dieser familiäre Background geprägt?

Die Erfahrung, was Unternehmertum im Alltag und im familiären Umfeld bedeutet, hat viele Facetten: persönliche Verantwortung für Entscheidungen, der Spagat zwischen Tagesgeschäft und strategischen Perspektiven, die Herausforderung der Vereinbarkeit von Familie und Unternehmerrolle, der Umgang mit den sehr unterschiedlichen Lebenswelten von Unternehmern, Verwaltung und Banken, die vielfach zunehmende Veränderungsdynamik. Unterm Strich bleibt mir – so hoffe ich – ein belastbares Werteverständnis des ehrbaren Kaufmanns und ein Blick für die Verantwortung, die besonders der Mittelstand für viele unserer gesellschaftlichen Prozesse und Entwicklungen trägt.

Die Gewerbesteuer sorgt bei den Betrieben für immer mehr Belastungen, gleichzeitig wird die kommunale Finanzsituation vielfach fragiler. Haben Sie eine Idee, wie dieses Dilemma aufzulösen ist?

Dass die Finanzsituation von Kommunen fragiler wird, liegt auch daran, dass ihnen Land und Bund Aufgaben zugewiesen haben ohne ausreichende Gegenfinanzierung. Aktuell haben unsere Städte und Gemeinden ebenfalls zu kämpfen mit den finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie, der Ukraine-Krise sowie generell der hohen Schwankungsbreite beim Aufkommen der Gewerbesteuer. Auf Seiten der Wirtschaft sind steigende Gewerbesteuern für Kapitalgesellschaften eine Belastung – gerade weil sie im internationalen Wettbewerb stehen. Grundsätzlich macht es daher Sinn, unter dem Aspekt langfristiger Planbarkeit für Unternehmen und Kommunen über weniger volatile Finanzierungsquellen für Kommunen nachzudenken. Die IHKs favorisieren seit Langem den Ersatz der Gewerbesteuer durch einen Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer.

Bei einem Gasmangel schreibt das Bundesgesetz den Vorrang der Privathaushalte gegenüber der Industrie vor. Stimmt es, dass Sie das gerne ändern würden?

Fakt ist: Es gibt eine politische Festlegung der Prioritäten, wie Gas zugeteilt wird. Das ist unser Rahmen. Fakt ist aber auch: Wir laufen absehbar in einen Versorgungsengpass. Die bewusst zugespitzte Frage „Heizung runter, damit die Wirtschaft weiterläuft?“ gehört jetzt auf den Tisch. Wirtschaft heißt doch konkret: Arbeitsplätze, Einkommen, Versorgungssicherheit, Steueraufkommen und am Ende gesellschaftliche Stabilität. Wenn die Politik bei den privaten Haushalten den Eindruck erweckt, steigende Energiekosten weitgehend aufzufangen, ohne gleichzeitig systematische Einsparbemühungen einzufordern, ist das fahrlässig.

Die Fragen stellte Hans-Werner Mayer

Robert Lippmann

Der 1984 geborene Robert Lippmann stammt aus einer Unternehmerfamilie im Thüringer Wald und hat VWL studiert. Zunächst war der diplomierte Volkswirt neun Jahre in verschiedenen Funktionen in der IHK Koblenz tätig, seit 2016 als Geschäftsführer für die Bereiche Standortpolitik und von 2010 bis 2018 zusätzlich wirtschaftspolitischer Sprecher der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz. Er baute den Hessischen Industrie- und Handelskammertag (HIHK) seit seiner Gründung 2018 erfolgreich zu einem gefragten und geschätzten Ansprechpartner der Landesregierung in Wiesbaden auf. In seiner Jugend war er Biathlet, bis heute ist er begeisterter Skifahrer und lebt in Wiesbaden.